Das Alter
entscheidet

FLUCHT In Bremen ist die Altersbestimmung auch ohne Medizin umstritten

Bremer Flüchtlings-Initiativen kritisieren eine vermehrte Verweigerung des Minderjährigen-Status von Flüchtlingen in den letzten Monaten. „Wir glauben nicht, dass das Zufall ist“, sagt Sylvia Pfeifer von der Initiative Fluchtraum, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterstützt und an Vormünder vermittelt. Ihre Befürchtung: Bremen könnte versuchen, sich Antragsteller vom Hals zu schaffen, um die Jugendhilfe zu entlasten. Denn während Kinder rechtlich unter besonderem Schutz stehen, können Volljährige auf andere Bundesländer umverteilt werden.

In der Tat sei das Jugendhilfesystem „in allen Teilen überlastet“, räumt Sozialbehörde-Sprecher Bernd Schneider ein. Und es werde auch tatsächlich genauer hingesehen: Gleich in der Erstaufnahme findet seit Ende vergangenen Jahres eine erkennungsdienstliche Behandlung statt – und ein Datenabgleich mit anderen Ländern, um festzustellen, ob Flüchtlinge dort mit abweichenden Angaben vorstellig geworden sind. Durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen bestehe heute „erhöhter Regelungsbedarf“, so Schneider.

Auf medizinische Verfahren wie etwa Röntgen wird in Bremen allerdings verzichtet. Stattdessen folgt auf den Datentausch eine „Inaugenscheinnahme“ und Befragung – ein Verwaltungsakt. Der allerdings steht in der Kritik. Pfeifer von Fluchtraum sagt, die Jugendlichen wüssten oft gar nicht, was bei diesen Gesprächen auf dem Spiel steht. Einige hätten gar Geburtsurkunden in der Tasche, die ihr Alter belegen könnten – und würden sie nicht vorzeigen, weil niemand danach frage.

Noch 2014 wurden zunächst alle Flüchtlinge, die sich als Minderjährige meldeten auch als solche anerkannt. Das gab der Senat im Januar auf CDU-Anfrage bekannt. Erst wenn im Anschluss Unstimmigkeiten aufgefallen sind, konnte die Anerkennung widerrufen werden. Wie oft das geschehen ist, wurde in der Statistik nicht erfasst. JPK