Pflanzen essen
von Ariane Sommer
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Fleisch essen oder kein Fleisch essen? Auf diese Frage hin wird in den USA schon gerne mal mit der Bibel argumentiert. Einer meiner amerikanischen Verwandten zufolge hat der liebe Gott gewollt, dass sie Chickennuggets isst. Gerne zitiert sie in Bezug auf ihre These Genesis 1,26. In der biblischen Passage steht, dass der Mensch über die Tiere „herrschen“ soll.

Dies, so meine Verwandte, bedeute, dass man die Tiere essen und überhaupt über sie verfügen dürfe, wie man möchte. Wenn ich ihr sage, dass es einen Unterschied gibt, zwischen gerecht und weise herrschen und brutal beherrschen, dann stoße ich nur auf ihr Desinteresse. Ich versuche es einfach mit weiterer Bibelversanalyse.

Genesis 1,26 fordert wohl nicht dazu auf: „Mach mit den Tieren, was Du willst, esse, quäle und beute sie aus.“ Viel mehr sagt der Vers: „…da ich den Menschen mit mehr Verstand ausgestattet habe, als den Rest der Tiere, soll er gut auf seine Mitlebewesen aufpassen, ihnen weder unnötiges Leid zufügen, noch sie ohne triftigen Grund töten.“ Doch dieses Argument lässt meine Verwandte nicht gelten. Mit Genesis 1,29, „Dann sprach Gott: Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen“, muss ich der Verwandten als Argument für pflanzliche Ernährung gar nicht erst kommen. Ihre Chickennuggets sind ihr heilig.

Ich dagegen bin nicht im christlichen Sinne gläubig. Doch hätte Gott Chickennuggets als Teil einer optimalen Ernährung vorgesehen, denke ich, dass er klug genug gewesen wäre, die Dinger gleich auf Bäumen wachsen zu lassen.

Der bibelzückenden Verwandten habe ich neulich übrigens vegane Chickennuggets untergejubelt. Als ich ihr verriet, dass in den Nuggets nicht der kleinste Fitzel Huhn enthalten ist, konnte sie es nicht fassen. „Siehst du“, sagte ich, „es geschehen noch Zeichen und Wunder.“ (5 Mose 7,19).

Ariane Sommer schreibt hier alle zwei Wochen über veganes Leben Foto: Manfred Baumann