Geflügelbauern filmen ihre Ställe

CHICKEN-CAM Um das Negativimage der Landwirtschaft aufzupolieren, gehen niedersächsische Geflügelbauern mit der Videokamera in ihre Ställe. Peta hält das für eine Verzerrung der Realität

Die Kamera wackelt. Der Ton knackt. Johannes Schulte filmt die Ankunft neuer Küken auf seinem Geflügelhof im emsländischen Bokeloh – für ein Videotagebuch im Internet. Der 43-Jährige zeigt, wie die kleinen Masthähnchen vom Laster gerollt werden, 40.000 Stück. Hundert Küken fiepen in jeder grünen Kiste. Schulte geht nah ran. Er will beweisen, dass konventionelle Landwirte gut mit ihren Tieren umgehen.

„Die Realität in der konventionellen Landwirtschaft ist eine andere, als die, die in den Medien gezeigt wird“, sagt Schulte. Die Berichte bezögen sich auf schwarze Schafe – nicht auf die Mehrzahl der Höfe. Schulte möchte nun all seine Arbeitsschritte mit der Kamera festhalten, ungeschnitten: Von der Desinfektion des Stalls, dem Einstallen und Aufwachsen der Hähnchen bis zum Schlachttag. „Wir haben nichts zu verbergen“, sagt Schulte. Auch sterbende oder tote Tiere würde er filmen: „Zum Leben gehört das Sterben dazu.“

Veröffentlicht werden die Tagebucheinträge auf der Internetseite der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft. Bisher machen bei der Transparenzoffensive des Verbandes nur zwei Landwirte mit, es sollen 20 Betriebe werden. „Die Bauern haben Angst vor Anfeindungen im Dorf und Einbrüchen in ihre Ställe“, sagt Verbandschef Friedrich-Otto Ripke. Er findet, die Diskussion um Nutztierhaltung müsse versachlicht werden. „Landwirte fühlen sich an den Pranger gestellt.“

In der Vergangenheit hätten sich Landwirtschaft und Konsumenten voneinander distanziert. Damit jeder mal gucken kann, organisiert der Verband „Tage des offenen Hofes“. Die meisten Konsumenten kennen nur die Bilder aus dem Fernsehen, sagt Ripke. Fernsehbeiträge würden aber aus kommerziellen Gründen gemacht, Tierschutzorganisationen wiederum wollten die Zustände skandalisieren.

Wenn Tierschützer nachts in die Ställe eindrängen, Scheinwerfer und Kamera auf die Hühner richteten, gerieten die in Panik, drängten sich eng zusammen. Komme aber der Tierhalter in den Stall, seien sie entspannt. „Unsere Aufnahmen sind deshalb realistisch“, sagt Ripke, der schon für die CDU im Landtag saß.

An dieser beanspruchten Authentizität zweifelt Lisa Wittmann, Referentin für Tiere in der Ernährungsindustrie bei der Tierschutzorganisation Peta. „Das sind natürlich Showställe“, sagt sie – und nur eine kleine Anzahl. Ganz anders wäre es, wenn alle Landwirte dazu verpflichtet würden, ihre Ställe zu filmen und das Material zu veröffentlichen. „Dann wäre das Geschrei groß.“

Das Projekt der Bauern zeige ein verzerrtes Bild der Realität: So sähen die Zuschauer in den Videos nicht, wie kranke Tiere gegen Stallwände geschlagen würden, um sie zu töten oder einfach sterbend im Müllcontainer landeten, sagt die Tierschützerin. Ebenso wenig wie Tiere, deren Kreislauf schlapp mache, weil sie zu überzüchtet seien, um zu den Tränken zu laufen. „Sie werden nicht die Wahrheit zeigen“, sagt Wittmann, „die wir filmen, wenn wir unbeobachtet sind.“

Bei ihren nächtlichen Stall-Einsätzen achteten die Tierschützer darauf, die Hühner nicht zu erschrecken, versichert die Peta-Sprecherin. „Wir lassen uns Zeit und gewöhnen die Tiere langsam an das Licht.“ Wittmann glaubt nicht, dass die Imagekampagne der Landwirte Erfolg haben wird. „Jeder tierliebe Mensch wird auch in diesen Videos die Tierquälerei erkennen.“ANDREA SCHARPEN