„Irgendwann kommt der ticketlose Zug ins Rollen“

Das bleibt von der Woche An der Charité streiken Tausende Mitarbeiter, der Senat will plötzlich das Betteln mit Kindern verbieten, die Piraten stellen ihre langerwartete Studie zum fahrscheinlosen Nahverkehr vor, und die Queen läuft durch Berlin

Es darf diskutiert werden

Fahrscheinloser ÖPNV

Die Piraten-Studie lässt viel Spielraum für weitere Mutmaßungen.

Es war eines der ganz großen Themen, mit dem die Piraten vor vier Jahren antraten: der fahrscheinlose öffentliche Nahverkehr, die Utopie von Bahn, Bus und Tram für wirklich alle, ohne Tariflabyrinth und ohne Jagd auf Schwarzfahrer. Der Verzicht aufs Ticket sollte das Recht auf Mobilität durchsetzen und die Vormacht des Autos brechen.

So simpel diese Vision ist – man muss ganz schön viele Weichen stellen, um erst einmal in ihre Nähe zu gelangen. Das zeigt auch die von den Piraten am Freitag vorgelegte Machbarkeitsstudie. Weil die ganzen Fahrten ja trotzdem bezahlt werden müssen, liegt ein Umlagemodell auf der Hand. Aber das muss rechtlich abgesichert und vor allem politisch durchsetzbar sein. „Mobilitätsdiktatur“, hört man die Motorisierten und ihre Lobby jetzt schon raunen.

Als Nächstes bekäme man es mit dem Einwurf zu tun, dass ein fahrscheinloser ÖPNV mehr Menschen anzieht. Die Studie hält diese Attraktivität für beherrschbar. Schließlich würden externe Faktoren an dem schönen Modell zerren: die Einbindung in den regionalen Verkehrsverbund und die Abhängigkeit von Bundessubventionen wie den Regionalisierungsmitteln, deren Höhe ab 2019 unklar ist.

Auch die Piraten-Studie löst diese Unwägbarkeiten nicht auf, sie lässt viel Spielraum für Mutmaßungen. Trotzdem ist es gut, dass es sie gibt: Bislang gab es einfach kein ernst zu nehmendes Dokument, das die Spielräume für einen Berliner ÖPNV ohne Tickets so ausführlich skizziert hätte. Auf dieser Grundlage lässt sich gut weiterdiskutieren.

Außerdem haben die Piraten recht, wenn sie unbescheiden behaupten, sie hätten das Thema salonfähig gemacht. Genauso ist es nämlich: Vor vier Jahren wurde die Vorstellung nur belächelt, dass der Schlachtruf „Die Fahrausweise zur Kontrolle bitte!“ einmal aussterben könnte. Jetzt stellen auch andere Parteien immer lauter die Frage „Warum denn nicht?“ Irgendwann kommt dieser Zug vielleicht wirklich ins Rollen. Claudius Prößer