Riese im Schleichflug

Airbus A 380 landet zum ersten Mal in Finkenwerder. Das Publikum ist fasziniert. Tausende säumen die Deiche und verstopfen die Straßen. Die Maschine erscheint erstaunlich klein und leise

Es wird fotografiert, gejubelt, geheult, dann tosen die Bremsen – es stinkt

von Gernot Knödler
und Christine Jähn

Im Rosengarten geht nichts mehr. Aus zwei Richtungen sind Schaulustige in das Sträßlein hineingefahren, das vom Ende der Airbus-Werkspiste nach Neuenfelde führt. Wo zwei einzelne Wagen einander mit Müh und Not ausweichen können, stopft jetzt ein Dutzend die Fahrbahn. Dazwischen tummeln sich Fußgänger, Radler und Mopedfahrer, die zum Neß-Hauptdeich streben, um dort oben auf Tuchfühlung mit dem erstmals in Finkenwerder landenden Riesen-Airbus A 380 zu gehen.

Nur wenige Meter östlich der kleinen Straße, im Rosengarten, soll einmal die umstrittene Verlängerung der Piste verlaufen. Die wenigen Häuser am Weg nach Neuenfelde, über dessen Ortskern hinweg der A 380 einschweben wird, hat die Stadt gekauft. Hier wohnt keiner mehr.

Auf dem Deich an der Hasselwerder Straße mit Blick auf den Rosengarten und das Airbus-Werk stehen zwischen anderen Schaulustigen Elisabeth Kühn aus Moorburg, Gretchen Martens aus Neugraben und Ilse Riebesell aus Buchholz. Um den A 380 zu sehen, haben sie die Beerdigung ausfallen lassen, die wenige Hundert Meter weiter in der Einflugschneise der Landebahn stattfindet und die von den Glocken der St. Pankratius-Kirche links hinter ihnen eingeläutet wird. Martens und Riebesell stammen aus Finkenwerder.

Die Glocken läuten um 14 Uhr. Jetzt sollte der Riesenflieger einschweben. Der Blick nach Südwesten ist verbaut, der Himmel leer. Alles schaut Richtung Werkspiste. Plötzlich ein Rauschen, Blick nach links hinten und dann taucht der Riesen-Airbus wie aus dem Nichts hinter der Kirche auf. Die Maschine ist grün-gelb – sie soll in Finkenwerder lackiert werden – und wirkt kleiner, als sich die meisten das vorgestellt haben. Im Vorbeiflug, 400 Meter entfernt, kreischen die Triebwerke hell. In den Ton mischt sich ein Klagelaut wie bei einem sinkenden Schiff – dann gibt der Pilot Gas. Statt aufzusetzen, wackelt er mit den Flügeln und zieht die Maschine für eine Ehrenrunde hoch.

„Der ist nicht laut“, ist die allgemeine Meinung auf dem Deich. Von den orkanartigen Wirbelschleppen im Gefolge des Riesenvogels, vor denen oft gewarnt wurde, ist nichts zu bemerken. „Normalerweise müsste er doch schneller fliegen“, wundert sich Martens über das gemächlich einschwebende Flugzeug.

Nachdem der A 380 dem Blick entschwunden ist, hebt ein Rätselraten an, ob er wohl wiederkommt. „Vielleicht ist die Landebahn zu kurz“, frotzelt einer. Doch die Maschine fliegt genauso überraschend wie beim ersten Mal an, um sanft zu landen.

Auf dem Werksgelände jubeln mehr als 10.000 Airbus-Mitarbeiter, von denen die Hälfte aus anderen Werken herangekarrt worden ist. Es wird fotografiert, applaudiert und geheult. Dann tosen die Bremsen, erbärmlicher Gestank macht sich breit. „Da müssen wir aber noch gewaltig dran arbeiten“, ruft einer.

Der Prototyp rollt vor das VIP-Zelt, wo eine Senatorenriege unter Führung von Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und der Chef von Airbus Deutschland, Gerhard Puttfarcken, die Besatzung wie siegreiche Helden empfängt.

Das Airbus-Publikum ist von der Landung begeistert. „Schon richtig Klasse“, urteilt Uta Lapp knapp, ehe sie weitere Fotos schießt. Die Controllerin hat für diese Augenblicke eine zweistündige Busfahrt vom Airbus-Werk in Nordenham auf sich genommen. Rolf-Ascan Wex, Qualitätsmanager im Kabinenausbau, findet die Landung „unglaublich“. Schließlich sei vor einem Jahr noch fraglich gewesen, ob der A 380 jemals nach Finkenwerder kommen würde. Er freut sich darauf, bald den leeren Innenraum der Maschine zu betreten. Dann wird mit dem Kabinenausbau begonnen. Im Januar soll der fertige Jet nach Toulouse zurückfliegen und von Airbus-Mitarbeitern auf Langstrecken-Passagierreisen getestet werden.