Beim Anticasting zickt sich keiner an

FILM George Clooney sucht Tausende Komparsen für einen Kriegsfilm. Unser Autor war in Babelsberg

Alle sagen, dass man beim Bund nichts lernt. Stimmt gar nicht: Als Wehrdienstleistender setzte man mich als Laiendarsteller für die Ausbildung von Unteroffizieren ein. Ich spielte zitternde Schwerverletzte, die sie korrekt verarzten mussten. Jetzt kann ich vielleicht meine Schauspielkarriere fortsetzen: als Komparse bei George Clooneys Streifen „The Monuments Men“, der bald in Babelsberg gedreht wird.

Es wird Clooneys bislang teuerster Film. Er will mit vielen Stars die Geschichte der „Monuments Men“ erzählen: Kunsthistoriker, die im Weltkrieg europäische Kunstschätze vor der Zerstörung retteten. Da braucht es natürlich auch Massenaufnahmen von Soldaten. Dafür stehe ich jetzt in Babelsberg Schlange – mit tausend anderen Männern.

Gesucht werden Männer, die soldatisch verhärmt aussehen. Also hat sich keiner in Schale geworfen. Verboten sind Piercings, bunte Haare, Tattoos, Solariumbräune. Ein Anticasting. Hier zickt sich keiner an. Ist ja auch nicht so schwierig, den Job zu bekommen: 5.000 Komparsen werden gesucht.

Im Zelt müssen Zettel ausgefüllt werden: militärische Erfahrungen? Ich trage ein: „Waffen, Marschieren, CE-Führerschein“. Wo ich schon mal da bin, hoffe ich auf eine winzige Rolle (soll es auch noch geben), selbst wenn ich nach zwei Sekunden draufgehen sollte. Jetzt geht es zum Fotografieren. Ein Mann mustert unsere Gesichter, auf manche Zettel kritzelt er etwas. Ich bekomme ein „B“. Hoffentlich etwas Gutes! Der Buchstabenverteiler spricht Englisch. „Muss einer von Clooneys Leuten sein“, spekuliert mein Vordermann.

Das Casting bringt der Agentur Tausende frische Gesichter. „Berufskomparsen“, die das Gesicht in jede Kamera halten, mögen sie nicht. Ein Muskelprotz hat ein „A“ bekommen. „Vier Jahre Zeitsoldat“ steht auf seinem Zettel. Wir bestaunen die Buchstaben und sind aufgeregt wie die Mädchen bei „Next Topmodel“. Beim Foto hält man die Nummer vor den Körper. Frontal, kein Posen. Nach einer Viertelstunde ist alles vorbei. Ab März wird gedreht. Dann zeigt sich, was das „B“ bedeutet.

BENJAMIN SEIDEL