piwik no script img

Kolumne Unter SchmerzenWas tun gegen Besenreiser?

Es kommt das Alter, in dem man einen Blick in eine Krankenkassenzeitschrift wirft. Könnte sich ja lohnen.

Krampfaderfreie Beine (Bildmitte). Foto: dpa

E s kommt die Zeit, es kommt das Alter, in dem man tatsächlich einen Blick in die Krankenkassenzeitschrift wirft. Es kommt die Zeit, in der man kurz davor ist, die berüchtigte Apotheken Umschau zu lesen. Könnte ja sein, dass etwas Interessantes drinsteht. Etwas, das auch mich betrifft.

In meinem Fall heißt die Krankenkassenzeitschrift Vigo und sieht auf den ersten Blick ganz gut aus. Die aktuelle Nummer macht mit einem Text zur Beinfreiheit auf, respektive zur Freiheit von Krampfadern (“Was tun gegen Besenreiser?“). Hab ich nicht, ist nicht mein Problem. Außerdem gibt es was zu Smoothies (“Watching all the movies, drinking all the smoothies“, Courtney Barnett) und zu Smartphones: „Nie mehr ohne?“

Auch sonst gibt sich die Vigo recht up to date. Badeseen, Radtouren am Niederrhein, die neue Achtsamkeit, Lasertherapie, Schwangerschaftsdiabetes (hat meine Schwägerin) und dieses psychedelische Ereignis vor zwei Jahren in Portugal, das ich hatte, war wohl tatsächlich ein Hitzekollaps und nicht eine Thomas-Mann’eske Schwindsucht – irgendwie mag ich das Blatt.

Es steht wirklich alles drin, was unsere kleine Welt gerade bewegt, eine Art softer Gesundheitsdiskurs in Blattform: „Das Smartphone ist ein Helfer mit Suchtpotenzial“; es gibt auch etwas zu Telemedizin, Akupunktur hilft immer nur kurzfristig und das bekannte Kuschelhormon Oxytocin (das ist meist nur in gut sortierten Liebesbeziehungen erhältlich, meist via Geschlechtsverkehr, der laut dem Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch immer noch zu 95 Prozent in festen Beziehungen stattfindet.

Psychedelischer Zwischenfall in Portugal

Die Aufweichung der Monogamie findet bislang wohl nur am Rande statt. Aber statt die Abschaffung der Ehe an sich zu fordern, soll sie möglichst für alle zu haben sein – wofür es natürlich gute Gründe gibt. Im SZ Magazin gibt es ein schönes Interview mit Sigusch, über Risiken und Nebenwirkungen informiert sie ihre Therapeutin. Ende des Exkurses) ist auch gut gegen Angst: Toll, ich lese das jetzt öfter. Abo habe ich ja schon.

Der psychedelische Zwischenfall in Portugal, der sich laut Vigo im Nachhinein also als Hitzekollaps entpuppte, ging ungefähr so: Eine Woche Hitze, ein Tag ohne Wasser, da es im Laden keins mehr ohne Sprudel gab, ein Abend nur mit Bier und eine Nacht mit einem Pfropf im Ohr, der sich nicht mehr lösen wollte. Ein Spaziergang durch einen nächtlichen Badeort, ein paar englische Pärchen, ein Taxi. Hellgraue Stille. Als ich morgens dann am Pool liege, bemerke ich, dass die weißen Schlieren im Sichtfeld nicht von meiner Brille herrühren und auch nicht von der Natur, oder hat jemand die Landschaft mit Milchpulver bestäubt?

Und wie kräftig dieses Lila dieser merkwürdigen Blumen am Wegesrand auf dem Weg zum Lädchen (neues Wasser kaufen!) sind. Schwindel, kleiner Kreislaufzusammenbruch, Ohrpfropf, der linke Arm kribbelt auch, es kommt alles zusammen, die Onlineforen empfehlen den Weg zum Psychiater, und meine Reisebegleitung empfiehlt sich als Antianimateur, also als Entspannungs- und Beruhigungsmotor. Die psychoanalytische Maschine stockt, und draußen liegt Sonnenstaub.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Vorweg: Schreibt sich das nicht "Besenreißer"?

     

    Zum Artikel: Ja, spätestens seit sich die ersten häufigeren Schmerzen im Rücken einnisten, ist die Mitnahme von Apothekenzeitungen eine feste Angewohnheit. Und als Epileptiker sind auch immer mal neue Sachen dabei.

     

    Man kann sich natürlich mit Modebegriffen wie "Best Ager" und so weiter das Ganze schönreden... das Alter schreitet voran, die Wartungsbedarfe steigen