Servicewüste Verkehrsamt: Bückware Autokennzeichen
Der Landesbetrieb für Verkehr ist überlastet: Für eine Kfz-Anmeldung müssen Hamburger bis zu drei Wochen warten. Termine werden bereits illegal verkauft.
HAMBURG taz | Rouven Willner hat sich vor zwei Wochen ein neues Auto gekauft. Fahren kann er den Gebrauchtwagen aber nicht: Wer in Hamburg ein Auto anmelden möchte, muss derzeit mit einer Wartezeit von bis zu drei Wochen rechnen. „Das ist unterirdisch“, beschwert sich der 22-Jährige.
Bis 2014 hatten Kunden bis zu sieben Stunden warten müssen, bis ihre Nummer aufgerufen wurde. Der Landesbetrieb Verkehr (LBV) reagierte auf Beschwerden und führte ein neues System ein: Antragstellern wird nun dringend empfohlen, online einen Termin zu vereinbaren. Wer ohne kommt, hat nur eine Chance, wenn ein anderer Kunde abgesprungen ist.
Lange Schlangen und genervte Kunden sollten der Vergangenheit angehören. Doch der Plan ging nicht auf: Die Schlangen sind zwar kürzer, die Kunden bleiben aber genervt. Denn das System hat einen Haken: Freie Termine gibt es erst am 8. Juni wieder. Für Termine soll es sogar einen Schwarzmarkt geben.
Der LBV begründet den Terminengpass mit „unerwarteten Personalabgängen“. Auch sei der Andrang im Frühjahr besonders groß. Nach Pfingsten werde sich die Lage entspannen, verspricht Uwe Thillmann vom LBV. Außerdem werde neues Personal eingestellt: „Das Herbstgeschäft, was ja auch wieder ein bisschen knallt, könnte dann wesentlich besser werden.“
Ein Online-Termin kann auf der LBV-Homepage vereinbart werden. Die Adresse lautet: www.hamburg.de/lbv
Der Andrang ist jedoch groß: Der nächste freie Termin ist erst Anfang Juni.
Alternativ bietet der LBV einen Abgabeservice an: Die Unterlagen müssen dem Verkehrsamt bis spätestens zwölf Uhr vorliegen. Die Bearbeitung der Zulassung dauert 36 bis 48 Stunden.
Die Umschreibung gebrauchter Fahrzeuge ist auch online möglich. Papiere und Kennzeichen können an einer selbst gewählten Poststelle abgeholt werden.
Mit dem "LBV Mobil" bietet der Verkehrsbetrieb auch einen mobilen Service an, der in ganz Hamburg unterwegs ist. Eine Übersicht über die Einsätze gibt es im Internet unter: www.hamburg.de/lbv-mobil/
Bei besonders langen Online-Wartelisten sind immer mehr Kunden bereit, draufzuzahlen. „Wir haben viele verzweifelte Kunden, die uns Horrorgeschichten erzählen“, sagt Susanne Lühr vom Kfz-Zulassungsdienst Lühr. Gegen eine Servicegebühr von 39 Euro sorgt sie dafür, dass die Zulassung für ein Auto binnen ein bis zwei Tagen erledigt ist – ganz legal. „Seit drei Monaten haben wir eine extrem hohe Nachfrage“, sagt sie.
Zulassungsdienste werden beim LBV als gewerbliche Kunden behandelt. Früh am Morgen reichen sie die gesammelten Unterlagen des Vortages beim Verkehrsamt ein. „Wir kriegen die Anträge top aufbereitet auf den Tisch gelegt“, sagt Thillmann von LBV, dadurch gehe die Verarbeitung schneller.
Den Vorwurf, das Verkehrsamt treibe die Kunden in die Arme kostenpflichtiger Zulassungsdienste, streitet der LBV-Sprecher ab: „Das ist nicht unsere Absicht.“ Außerdem könnten auch Privatkunden den Abgabeservice nutzen. Wer seine Unterlagen bis zwölf Uhr abgebe und auf das Warten verzichte, könne innerhalb von 36 bis 48 Stunden die Zulassung abholen.
Rouven Willner hat endlich seine Nummernschilder. Er hat sich in Geduld geübt, statt draufzuzahlen. Dabei hätte er den Vorgang auch auf illegale Weise beschleunigen können: Direkt vor dem Amt sei ihm ein Termin angeboten worden, 30 Euro hätte er dafür zahlen müssen, sagt er.
Der Handel mit Terminen sei ein bekanntes Problem, sagt LBV-Sprecher Thillmann. Vor allem für den Schnellschalter, wo unter anderem Kurzzeitkennzeichen beantragt werden können, seien Wartemarken verkauft worden, weil diese nicht personalisiert seien. Dies habe das Verkehrsamt aber bereits unterbunden.
Habib Jami hat eine andere Beobachtung gemacht. Er ist freier Autohändler und deshalb oft beim LBV. „Es gibt hier Leute, die komplette Kurzzeitkennzeichen verkaufen“, sagt er. Zulassung und Kennzeichen kosteten ungefähr 100 Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“