Ägypten: Toter im Wahlkampf

Schießereien, besetzte Wahllokale und Masenverhaftungen: Mit allen Mittel versucht der ägyptische Staatschef, die Wahlen zum Oberhaus zu manipulieren. Beobachter verschollen.

Wahlhelfer ohne Wähler. Die Polizei hat sie verjagt. Bild: dpa

Mubarak fürchtet die islamische Opposition
Im Vorfeld der Wahlen zum ägyptischen Oberhaus wurden hunderte von Muslimbrüdern festgenommen

KAIRO taz Wahlen auf ägyptisch: Die Bereitschaftspolizei hat in voller Kampfmontur die vier Wahllokale in Manschiat al-Kanatar nördlich von Kairo hermetisch abgeriegelt und fordert alle potenziellen Wähler auf, ihres Weges zu ziehen. Der Grund: hier kandidiert der Muslimbruder Sajjed Saleh gegen einen Vertreter der Regierungspartei für einen Sitz im ägyptischen Oberhaus. Mindestens einen Toten forderte unterdessen ein Schusswechsel zwischen Anhängern der Regierung und einem unabhängigen Kandidaten in der nördlichen Nildeltaregion. Es ist der übliche Schlagabtausch zwischen dem Regime von Präsident Husni Mubarak und der islamistischen Opposition.

Mit der geballten Kraft des Sicherheitsapparates will das Regime dafür sorgen, dass so wenig wie möglich der 19 Kandidaten der Muslimbrüder es schaffen, in Ägyptens zweite Volkskammer einzuziehen. Bei den gestrigen Wahlen zum Oberhaus (Schura), das nur beratende Funktion hat, ging es um ein Drittel der 264 Sitze. Ein weiteres Drittel wird in drei Jahren gewählt, der Rest vom Präsidenten ernannt. Aber für die Regierung geht es auch darum, dass die Islamisten nicht ihren Erfolg vom vergangenen Jahr wiederholen, als sie es trotz massivem Wahlbetrug geschafft hatten, ein Fünftel aller Sitze in dem politisch wichtigeren Unterhaus zu gewinnen. "Die Anwesenheit von Muslimbrüdern im Oberhaus wird die Schwierigkeiten der Regierung noch verstärken, die sie hat, seit 88 Abgeordnete der Islamisten im Parlament sitzen", erklärt Dia Raschwan vom Al-Ahram Zentrum für Strategische Studien.

Die jetzige Wahl ist der erste Testfall für Ägyptens Verfassungsreform, die vor knapp drei Monaten in Kraft getreten ist. Dabei ging es hauptsächlich um die Machtabsicherung des Regimes. Die richterliche Aufsicht der Wahlen wurde abgeschafft. Parteien dürfen nicht mehr mit religiösen Symbolen Wahlkampf führen. Die Verfassungsreform zielte hauptsächlich darauf ab, die islamistische Opposition aus dem politischen System herauszuhalten. Die Muslimbruderschaft zeigte sich wenig beeindruckt und schickte 19 Kandidaten ins Schura-Rennen. "Die Islamisten waren entschlossen, im Wahlkampf zu mobilisieren und die Regierung war entschlossen, sie von jeglicher Teilnahme auszuschließen", sagt der prominente ägyptische Soziologe Saad Eddin Ibrahim.

Die Muslimbrüder bezahlten für ihre Position einen hohen Preis. Hunderte ihrer Anhänger wurden im Vorfeld der Wahlen festgenommen. "Wir hatten allein bis vergangenen Monat 223 bestätigte Festnahmen und seitdem jeden Tag mehrere Dutzend Meldungen von weiteren Verhaftungen", erläutert Elijah Sarwan vom Kairoer Büro der internationalem Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Man kann sicher fragen, wie sehr die Islamisten tatsächlich einer demokratischen Reform verbunden sind, Fakt ist, dass sie im Moment die größte Repressionswelle der letzten Jahre erleben", fügt er hinzu. Laut Angaben der Muslimbrüder sollen sich derzeit 668 ihrer Anhänger im Zusammenhang mit dem Wahlkampf in Haft befinden.

Selbst vor den unabhängigen Wahlbeobachtern machten die Sicherheitskräfte nicht halt. Am 30. Mai verhafteten sie Amr Tharwat, der für das unabhängige Ibn-Chaldun-Forschungszentrum für Soziologie Wahlbeobachter koordinieren sollte. Tharwat ist seitdem verschollen.

Doch am Sonntagabend errangen die Muslimbrüder einen kleinen Sieg. Das oberste Verwaltungsgericht in Kairo weigerte sich, dem Antrag der Regierungspartei stattzugeben und alle Kandidaten der Muslimbrüder von den Wahlen auszuschließen, weil sie mit dem verfassungswidrigen Slogan "Islam ist die Lösung" Wahlkampf betrieben hatten. Der Einsatz der Religion war jedoch kein Monopol der Islamisten. Auch einige Kandidaten der Regierungspartei warben mit Suren aus dem Koran um Wählerstimmen. Einige hatten den islamischen Halbmond als Symbol auf den Wahlzetteln gewählt.

Die meisten Ägypter zeigen sich aber von der Fehde zwischen Regime und Islamisten um einen Platz im politisch unbedeutenden Oberhaus unbeeindruckt. Der Soziologe Saad Eddin Ibrahim erwartet, dass die Beteiligung bei dieser "weder fairen noch freien Wahl" am Ende des Tages bestenfalls bei zehn Prozent liegen wird. KARIM EL-GAWHARY

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