Kommentar: Gesetz der Bewegungslogik

Attac hat in Heiligendamm ihren Gipfel erreicht. Geht es jetzt nur noch bergab?

Soziale Bewegungen, hat der Soziologe Ulrich Beck einmal lakonisch bemerkt, kommen und gehen - vor allem gehen sie. Fragt sich, ob das auch für die Globalisierungskritiker um Attac gilt. Mit Heiligendamm scheinen sie den Gipfel des Erfolges erklommen zu haben. Folgt nun, nach den Gesetzen der Bewegungslogik, der Absturz?

Der Protest gegen den G-8-Gipfel war für Attac & Co in doppelter Hinsicht ein Erfolg. Nach den Protesten gegen den Gipfel von Genua 2001 gab es nur ein Thema, das alles andere überschattete: Gewalt und Gegengewalt. Das ist diesmal anders. Der Bewegung ist es einigermaßen gelungen, zu verhindern, dass die leidige "Gewaltfrage" ihre Anliegen überdeckt. Weil sich die Globalisierungskritiker klug gegen die Vereinnahmung durch autonome Jungmänner zur Wehr setzten, ist es unmöglich, die Bewegung nun als gewalttätig zu denunzieren. Viele Demonstranten gingen sogar selbst entschlossen gegen Polit-Hooligans vor.

In Heiligendamm war symbolischer Protest. Die Währung, in der sich Erfolg und Misserfolg solcher Events rechnen, ist Aufmerksamkeit. So gesehen, ging es den Globalisierungskritikern nie besser: Kaum ein Fernsehsender oder eine Zeitung, die ihre Ideen nicht wiedergaben und debattierten.

Dieser mediale Erfolg ist schwer messbar.Trotzdem sollte man das gewachsene Interesse für globale Gerechtigkeitsfragen nicht gering schätzen. Dass etwa der Export von subventioniertem Fleisch aus der EU nach Afrika ein Skandal ist, dürfte heute mehr Zeitgenossen einleuchten als noch vor zwei Wochen. Zudem hat die Bewegung unstrittig die Tagesordnung des G-8-Gipfels mitgeprägt. Damit sollte jedem klar geworden sein, dass Bewegungen keine bloß lästigen Protestierer sind. Sondern politische Produktivkräfte, die etwas in Gang setzen.

Trotzdem herrscht bei Attac & Co jetzt Katerstimmung: Das ist normal. Doch verschwinden wird die Bewegung keineswegs. Denn sie füllt, auch weil sie international vernetzt ist, ein Vakuum. Viele haben gemerkt, dass nationalstaatliche Politik nur noch begrenzte Reichweite besitzt. Attac hat, was vielen professionellen Politikern, fehlt: Glaubwürdigkeit. Nach Heiligendamm noch mehr als vorher.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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