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Kolumne ÖkosexEine andere Wand ist möglich!

Auf Ökosex oder G8 vertrauen? Der Klimaclub geht 2008 weitere Schritte voran. Wer geht mit?

"Geh 2008 Schritte voran und man wird sich nach dir umdrehen!" Alte Ökosexweisheit in Sachen solare Effizienzrevolution. Was viele Kommentatoren gar nicht erwähnten, es kam doch noch zu einem historischen Meilenstein für das Klima am vergangenen Wochenende. Endlich hat sich im Klimaschutz wirklich was bewegt. Endlich ist der Durchbruch geschafft! Beim "G 8" in Heiligendamm? Nö, aber in Maastricht.

Privat

Martin Unfried (41) arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.

Zur Erinnerung: 50 Prozent weniger CO2-Emmissionen und das bis 2008. So heißt mein bescheidenes Zwischenziel auf dem Weg ins Nirvana der Emissionslosigkeit. Ich konnte deshalb leider die spannenden Heiligendammer Spiele mit Speed-Boat-Rennen und Tornado-Schnitzeljagd nicht am Fernsehen verfolgen. An Steinewerfen vor Ort war schon gar nicht zu denken. Ich hatte Wichtigeres zu tun: Steine werfen am Bauzaun der Nachfrage fossiler Energie.

Es kamen nämlich die Jonnys von der Isolierungsfirma. Die haben bei mir zu Hause die "Spouwmuur Isolatie" eingespritzt. Die niederländische "Spouwmuur" (wörtlich Spaltmauer) ist ganz schön abgezockt: erst eine Klinkerwand, dann ein bisschen Luft, gefolgt von einer gemauerten Innenwand vor der Tapete. Das ist natürlich heiztechnisch der Wahnsinn, weil da nichts isoliert ist. Deshalb hatte ich zwei Revolutionäre bestellt, und die agitierten mit Hochdruck im Dienste der solaren Effizienzrevolution. "Isolación o muerte", übte ich derweil mit den Kindern. Stunden des Spritzens und einige Koffies später hatte sich unser Wärmedurchgangskoeffizient erheblich verbessert und meine Laune auch. Das Einblasen war ein erster Climax im Jahreskreis des Ökosexes. Danke an www.thermecon.nl.

"Liebe nachwachsende Generation", diktierte ich auf der anschließenden Pressekonferenz in die Malblöcke meiner Kinder, "wir wurden heute Zeuge einer 10- bis 15-prozentigen Einsparung des Gasverbrauches dieses Reihenhauses. Wie ihr wisst, machen die bestehenden Gebäude mehr als 40 Prozent der Energie-Endnachfrage aus in der Europäischen Union. So ist dieses Isolierungseinsparkraftwerk ein weiterer historischer Erfolg des Ökosex Klimaclubs und natürlich besonders für dessen Generalsekretär, der ich ja bekanntlich bin. Auch für euch Kinder ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Halbierung eurer CO2-Emissionen bis Dezember 2008."

Ach, wie sich die Kids über die neue unsichtbare Isolierung freuten. Und die ersten Gäste erst, die sich später längere Kurzreferate anhören mussten über das Wesen der Spouwmuur. Zugegeben, für Ökosex-Angeber ist gerade die energetische Sanierung der Klinkerhauswand eine Herausforderung: Man sieht nämlich gar nix. Nada! Die haben sogar die Löcher wieder unsichtbar verfugt. Macht nix. Es bleibt die Imaginación und die Vorfreude auf den nächsten Winter, der hoffentlich nicht so warm wird wie der letzte. Jetzt eine Kältebrücke zur G 8.

Um mal ihre Bedeutung klarzustellen: Dort die lustigen Ostsee-Kurgäste, die darüber nachdenken, eventuell in Betracht zu ziehen, bis 2050 die Hälfte an CO2 einzusparen. Hier die Mitglieder des Ökosex Klimaclubs, die bereits auf dem Weg dorthin sind und dieses Ziel bis zum 31. Dezember 2008 schaffen werden. Und wie gesagt, das ist erst der Anfang. Klimaclubberer nehmen die Herausforderung leidenschaftlich an. Bis 2012 werden wir zu Hause ganz aussteigen aus den fossilen Energien. Wäre das nicht auch was für unsere gutverdienenden gesellschaftlichen Eliten?

Von der Bundeskanzlerin ist bisher nur bekannt, dass sie eine Energiesparlampe besitzt. Das reicht nicht für eine Weltpolitikerin ihres Formats! Die muss jetzt endlich zaubern: Wie wär es mit der ersten Berliner Altbau-Plusenergiewohnung. Eine andere Wand ist möglich, Angela Merkel! Der Klimaclub empfängt Sie mit offenen Armen.

Fragen zur Wand? kolumne@taz.de

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