Tagesschau per Handy: Strategie ohne Plan
Die ARD-Intendanten beschließen, eine Kurzversion der "Tagesschau" fürs Handy zu produzieren - und halten das schon für eine "Digitalstrategie"
"Früher waren wir Menschen ohne Unterleib", hat "Tagesschau"-Chefsprecher Jan Hofer in Saarbrücken gesagt. "Heute sind wir Menschen ohne Oberkörper." Denn viel mehr als der Kopf und ein bisschen Hemdkragen geht auf dieses kleine Display einfach nicht drauf: Ab Mitte Juli gibt es die "Tagesschau" samt Sprecher auch als Kurzversion fürs Mobiltelefon, jedenfalls für alle, die ein UMTS-Handy haben und sich einen Datenvertrag dazu leisten, mit dem man sich nicht gleich pleite streamt. Wie viele Leute werden das wohl sein? Egal. Die ARD ist knallhart: Junge Zuschauer will die "Tagesschau in 100 Sekunden" erreichen. Die sollen dadurch Lust bekommen, die echte "Tagesschau" einzuschalten.
Man darf über die ARD ja nicht immerzu nur schimpfen, denn von Zeit zu Zeit haben die Menschen in den vielen großen Sendebunkern, die im Süden meist idyllisch an Berghängen am Stadtrand gelegen sind, ja auch sehr gute Ideen. Am Dienstag aber gab es vor allem enttäuschte Journalistengesichter bei der Präsentation der ARD-"Digitalstrategie" im Konferenzzentrum des Saarländischen Rundfunks, wo rundherum die Bäume blühen, die Vöglein zwitschern und man ziemlich genau hinsehen muss, um zu merken, dass in dieser verschlafenen Idylle Fernsehen gemacht wird.
Die mobile "Tagesschau" ist das Kernstück der ARD-Initiative - und genau darin liegt das Problem der Strategie: Sie ist gar keine. Denn um die "digitale Medienwelt" zu erschließen, braucht es mehr als bloß einen Nachrichtenzusammenschnitt für unterwegs und ein paar allgemein formulierte Willensbekundungen. Aber - und das wiederum ist das generelle Problem der ARD - ohne die geht es in Intendantenrunden eben auch nicht. "Ich bin froh, dass wir das so beschlossen haben", sagte ARD-Chef und SR-Intendant Fritz Raff am Dienstag erleichtert. Also: ganz ohne Krawall. Für ARD-Verhältnisse mag das ein Erfolg sein.
Nun soll außerdem der Digitalkanal Eins Extra umgebaut werden und künftig mehr Wert auf aktuelle Information legen. Die Olympischen Winterspiele im Februar 2010 überträgt die ARD gemeinsam mit dem ZDF erstmals in HDTV. Und im Herbst wird wohl ein neues Audio- und Videoportal auf ARD.de fertig sein, in dem Beiträge der Landessender bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung noch mal online abgerufen werden können.
Dieser "ARD-Player" dürfte ähnlich wie die ZDF-Mediathek funktionieren, an deren Ausbau die Mainzer Kollegen derzeit konsequent arbeiten. Die ARD hat es schwerer: Jeder Landessender will selbst entscheiden, welche Produktionen er einstellt. Wahrscheinlich wird das ARD.de-Portal deutlich informationsorientierter als die Mediathek, in der auch Telenovelas und Serien zu sehen sind. Was solls: Die ARD macht ein bisschen Handy-TV, da kann sie ja auch nur ein bisschen Online machen - wobei: das Informationsangebot der ARD im Videostream sei bereits jetzt hervorragend, merkte ARD-aktuell-Mann Kai Gniffke in Saarbrücken an. Recht hat er. Und jetzt?
Mit ihren Plänen macht die ARD zweifelsfrei einen ersten Tippelschritt in die richtige Richtung. Aber allein das Missverständnis, der Übertragungsweg Handy sei vor allem als Appetizer fürs "echte" Fernsehen zu gebrauchen, lässt erahnen, dass es in den Gremien noch viel zu diskutieren gibt, bis die ARD wirklich fit für die Zukunft ist. Immerhin: Mehr solls vorerst nicht kosten. "Wir gehen nicht davon aus, dass für die neuen Initiativen einen Zusatzbedarf an Gebühren besteht", sagte Raff am Dienstag - und meinte: nicht mehr, als die ARD gerade im Entwurf ihres Finanzbedarfs an die KEF übermittelt hat. Wie viel darin für die digitale Entwicklung veranschlagt ist, hat der ARD-Chef nicht verraten.
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