Rotlicht für die WM

Verbände befürchten Sextourismus bei der Fußballweltmeisterschaft. Kommunen und Hilfsorganisation warnen vor Panikmache

VON HOLGER PAULER

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland soll zum lohnenden Geschäft werden – auch für das Gewerbe der Prostitution. Allein in Nordrhein-Westfalen werden während der vier Wochen mehr als eine Million Gäste erwartet. Der überwiegende Teil davon männlich. Der Deutsche Städtetag geht unter Berufung auf das Bundeskriminalamtes (BKA) davon aus, dass bundesweit etwa 40.000 Sexarbeiterinnen vor allem aus Osteuropa zum Event Weltmeisterschaft anreisen werden. In NRW, wo an den drei Standorten Dortmund, Gelsenkirchen und Köln etwa ein Viertel der 64 WM-Spiele statt finden wird, müsse man demnach mit einer Zahl von knapp 10.000 Prostituierten rechnen.

„Woher das BKA diese Zahlen hat, ist mir nicht bekannt“, sagt Andrea Hitzke von der Dortmunder Mitternachtsmission. Die Mitternachtsmission steht Prostituierten beratend und unterstützend zur Seite und warnt vor Panikmache. Man rechne jedenfalls nicht damit, dass zur WM mehr Prostituierte aus dem Ausland kämen, als zu anderen Events, wie etwa dem Sechs-Tage-Rennen oder Rockkonzerten. „Die Zahl ist völlig überzogen“, glaubt Hitzke.

Immerhin sorgte die Schätzung dafür, dass der in Köln ansässige Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) seine Mitglieder dazu auffordert, Briefe an die Kommunen, an Bund und Land sowie an den Deutschen Fußballbund zu schreiben, um auf den drohenden Prostitutionstourismus aufmerksam zu machen. Vor allem die Stadt Dortmund steht im Mittelpunkt der Kritik. Dort werde mit Hochdruck daran gearbeitet, zur WM passende Prostitutions-Orte zu schaffen. Das Ordnungsamt habe vorgeschlagen, Brachflächen für diesen Zweck bereit zu stellen, heißt es in einem Schreiben des KDFB.

„Es ist richtig, dass wir im Bereich zwischen der Nordstadt und dem Straßenstrich eine neue Begegnungsstätte schaffen wollen“, sagt Ortwin Schäfer vom Dortmunder Ordnungsamt. Ein brachliegendes Gelände zwischen Baumärkten und stillgelegten Bahngleisen soll dafür genutzt werden. „Diese Maßnahme hat aber nichts mit der WM zu tun“, so Schäfer. Prostitution sei nun einmal Fakt und man stelle sich der Sache. Nicht mehr und nicht weniger.

Dennoch wolle Schäfer den Tourismus zur WM nicht unterschätzen. Er erwartet vor allem Frauen aus den Niederlanden und aus osteuropäischen Ländern. „Wir müssen auch verstärkt mit Menschenhandel rechnen“, sagt Schäfer. Es sei wichtig, rechtzeitig ein Konzept zu entwickeln, dass die Prostitution an bestimmten Orten bündelt und sie aus der Innenstadt heraushält, um den Überblick zu behalten.

Das Aufstellen so genannter Verrrichtungsboxen für den ungestörten Bezahl-Sex ist ebenfalls vom Tisch. „Wir haben Anfang des Jahres darüber nach gedacht, die Sache aber wieder verworfen“, sagt Schäfer. Entsprechende Berichte über diesen geplanten WM-Service seien erfunden. Das Modell wurde im niederländischen Utrecht entwickelt und von der Stadt Köln im Bereich des Drogenstrichs übernommen – dort stehen acht Boxen, ausgestattet mit Fluchttüren und Alarmklingeln.

Dennoch will die Stadt Dortmund im Vorfeld der WM die Sicherheitsmaßnahmen verstärken. Ein „Arbeitskreis Sicherheit“ befasst sich mit möglichen Gefährdungspotenzialen. Die Mitternachtsmission wird ihre Notruf-Bereitschaft für Prostituierte rund um die Uhr verstärken. „Beim Fußball werden sehr viel Emotionen freigesetzt, außerdem wird wohl sehr viel Alkohol konsumiert, da kann es schnell zu gewalttätigen Übergriffen kommen“, sagt Andrea Hitzke.

Für die Stadt Gelsenkirchen spielt das Thema Prostitution und WM derzeit keine Rolle. Man gehe davon aus, dass sich die WM-Gäste bei Bedarf eher Richtung Essen oder eben Dortmund orientieren, sagt ein Stadtsprecher. Auch in Köln bleibt man ruhig. „Die Gespräche mit dem Gesundheitsamt sind gerade erst angelaufen“, heißt es aus dem WM-Büro. Über weitere Vorsichtsmaßnahmen sei noch nicht beraten worden.