Diplomatie: Fischen mit Putin

Zum ersten Mal hat Bush einen Staatsgast auf den Sommersitz der Eltern eingeladen. So soll Putin für Washingtons Ziele eingenommen werden: Unabhängigkeit des Kosovo und Raketenabwehr

Schau Wladimir, dort ist Amerika! Bild: ap

Erstmals in seiner sechsjährigen Amtszeit hat Bush einen ausländischen Gast auf die elterliche Sommerresidenz nach Kennebunkport im nordöstlichen US-Bundesstaat Maine eingeladen. Diese "große Geste" ist in den Augen Washingtons notwendig, denn der Gast ist Russlands Präsident Wladimir Putin und die Beziehung beider Staaten ist so schlecht wie lange nicht mehr.

Am kommenden Wochenende werden die beiden sich daher in der Familienidylle der Bushs an der Atlantikküste treffen. Sie werden bei Hummer und Schwertfisch begleitet werden vom Hausherrn, dem früheren Präsidenten George H. W. Bush. Doch die traute Landhausatmosphäre wird kaum darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Präsidenten in erster Linie dicke Bretter zu bohren haben: Da ist der Streit über die von Bush geplante Raketenabwehr in Mitteleuropa, da ist der Streit über die ausstehende Ratifizierung des Vertrages über die Begrenzung Konventioneller Streitkräfte in Europa (KSE). Außerdem herrscht zwischen Moskau und dem Westen Uneinigkeit über die Zukunft der südserbischen Provinz Kosovo, der Moskau bisher die Unabhängigkeit verwehrt.

Vor allem Kosovo erregt die Ungeduld Washingtons. Hinter verschlossenen Türen sollen sich Offizielle enttäuscht darüber gezeigt haben, dass sich die deutsche EU-Ratspräsidentschaft nicht intensiver mit der Lösung des Problems beschäftigt habe. Bush hatte bei seinem Bad in der Menge in Albanien am 10. Juni versprochen, "die Zeit ist jetzt gekommen, wir müssen uns bewegen, und das Endergebnis ist die Unabhängigkeit". Der glücklose US-Präsident will daher nicht länger verhandeln, er will wenigstens im Kosovo einen Erfolg.

Doch gerade hier zeigt sich exemplarisch, wie unvereinbar die US-amerikanische und die russische Sicht der Dinge sein wird. Kosovo ist seit 1999 zur Prinzipienfrage zwischen beiden Staaten geworden. Damals hatte sich Russland, dass sich als Schutzmacht der Serben versteht, im UN-Sicherheitsrat gegen einen US-geführten Krieg ausgesprochen und somit Präsident Bill Clinton das Placet der Vereinten Nationen verwehrt. Washington ließ das damals von Boris Jelzin geführte Russland daraufhin links liegen, was im Land tiefe Ressentiments gegen die USA auslöste. Dieser verletzte Stolz über die verloren gegangene internationale Bedeutung der einstigen Supermacht soll es laut US-Russlandbeobachtern auch sein, der Putin kaum zu einem großzügigen Verhandlungspartner machen wird.

Sein Ziel, sagt zum Beispiel George Friedman von Startfor, einem kommerziellen geopolitischen Strategieforschungsinstitut aus Texas, muss es sein, Russlands einstige internationale Bedeutung, insbesondere auf dem Balkan, wiederherzustellen.

Auch bei der Frage der Stationierung des Raketenabwehrschirms zeichnet sich keine Lösung ab. Washingtons anfängliche Offenheit für den Vorschlag Moskaus, eine russische Radarstation im aserbaidschanischen Gabala mit den USA gemeinsam zu nutzen, ist längst einer tiefen Skepsis gewichen. Die USA und die Nato sehen aus strategischen, militärischen und politischen Gründen in der Anlage in Gabala an der Grenze zum Iran keinen Ersatz für ihre Pläne in Polen und Tschechien.

Auch hier wird Präsident Bush, dessen Erfolgsliste nach sechsjähriger Amtszeit recht kurz ist, von Ungeduld getrieben. Der Mann will noch etwas schaffen, nur leider wollen andere nicht so wie er. Das Projekt ist innerhalb des Pentagons und im Kongress wegen der bisherigen technischen Pannen, die sich bei Tests stets zeigten, umstritten. Seit Anfang Juni stehen nun auch noch Putins Drohungen im Raum, im Fall einer Raketenabwehr in Mitteleuropa seinerseits möglicherweise selbst Ziele in Europa ins Visier zu nehmen. Dabei sekundierte ihm sein Vize-Regierungschef Sergej Iwanow, indem er in dieser Woche noch die Serienproduktion der kürzlich erfolgreich getesteten neuen Interkontinentalrakete vom Typ Topol-M ankündigte.

Alles Rhetorik, beruhigen Experten in Bushs Umfeld. Auch wenn die Töne aus Moskau oft schrill seien, meint Vize-Außenminister Daniel Fried, seien die Beziehungen beider Länder besser, als man vermute. Denn Moskau und Washington hätten, so meinte kürzlich Präsidentenberater Brent Scowcroft, sehr viel mehr gemeinsame Interessen, als auf den ersten Blick sichtbar.

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