Kommentar: Virtueller Gipfel

Das amerikanisch-russische Treffen war wie eine Nostalgieveranstaltung. Die USA sehen längst China als größeren Rivalen an - doch das will Russland nicht sehen.

Die Inszenierung war erstklassig. Es stimmte einfach alles. Das Wetter, die Fluss-Idylle, der Angel-

ausflug und der höflich-lockere Umgangston. Resultate? Die waren bei dem Tête-à-Tête nicht zu erwarten. Können sie auch nicht, denn die Veranstaltung fand im virtuellen Raum statt. Kennebunkport war eine Nostalgieveranstaltung, die der klar geordneten Nachkriegszeit gedachte.

Da trafen sich die Staatsführer zweier Supermächte, suggerierten die Fernsehbilder. Für die USA trifft das zu - auch wenn Präsident Bush nur noch als "lahme Ente" gilt und die USA in der Welt nicht sonderlich beliebt sind. Doch wenn der Präsident nächstes Jahr aus dem Amt scheidet, ändert sich an der Stellung Amerikas in der Welt wenig. Anders bei Putin: Niemand in Russland hat eine Vorstellung davon, wie es nach Ende seiner Amtszeit weitergeht. Das macht aus einem starken einen schwachen Präsidenten und aus seinem Rohstoffreich ein für andere wenig attraktives Land.

Russland hat unter Putin im Rennen um einen Weltspitzenplatz noch mehr Terrain verloren. Nichts zeigt dies deutlicher als die US-Fixierung der dortigen Elite. Sie ist Vorbild und Vormacht, die Moskaus Tagesordnung diktiert. Washington ist Moskaus anderes Ich. Das wird auf Dauer nicht ohne Folgen bleiben. Russland wird sich der veränderten geopolitischen Architektur stellen müssen. Im Osten wächst China heran, das Russland schon heute an Industriepotenzial und Bevölkerung übertrifft. Und im Westen formiert sich die Europäische Union, die das Achtfache des russischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Moskaus Energieressourcen sind zwar ein brauchbares Pfund, mit dem sich wuchern lässt, doch reicht es nicht, sich dem anstehenden Rollentausch mit China zu widersetzen.

Washington macht es vor. Es sieht China - nicht Russland - als Rivalen. Der Kreml verschließt davor die Augen, das würde sein Selbstwertgefühl kränken. Autoritäre Systeme glauben an die Kraft des Virtuellen. Russland hat ein verlorenes Imperium im 20. Jahrhundert zurückerobert. Noch einmal wird das nicht gelingen.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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