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Trash-KinoDer Spaß ist verdorben

Kommentar von Andreas Busche

Nackte Haut und Moral: "Black Snake Moan" weidet sich an der Attraktion des Exploitation-Kinos, will aber aufs schlechte Gewissen nicht verzichten.

Ein Wiedersehen mit Samuel L. Jackson und Christina Ricci Bild: universal

D er US-amerikanische Regisseur Craig Brewer dreht Exploitationfilme, die ihrer eigenen Prämisse nicht über den Weg trauen. Schon sein Debüt "Hussle and Flow", die Geschichte eines schwarzen Zuhälters, der seinen Traum von einer Hiphop-Karriere verfolgt, setzte dem schweinisch-unkorrekten Lustprinzip des Siebzigerjahre-Exploitationfilms ein schlechtes Gewissen im Stile eines biederen morality tale entgegen. Anfang der Siebzigerjahre steckte das populäre amerikanische Kino mitten in einer Blütephase. Filme wie Larry Cohens "Bone", "Terminal Island" von der zu Unrecht vergessenen Stephanie Rothman, Russ Meyers "Black Snake", "Black Mama, White Mama" oder "The Big Bird Cage" verhandelten in immer abenteuerlichen Konstellationen die Verhältnisse von race und gender, Sex und Gewalt, politischem Aufbegehren und sozialer Unterwerfung, ohne sich um einen moralischen Konsens oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu scheren. Seinen Spaß wollte man sich von niemandem verderben lassen.

Brewer erweist sich mit seinem zweiten Film "Black Snake Moan" erneut als großer Spielverderber. Besser als das Plakat zum Film soll es nicht kommen: Das Bild eines schwarzen Hünen über einer auf dem Boden kauernden weißen Frau in schweren Ketten und zerfetzter Kleidung bedient alle Erwartungen an die Hochzeit des Exploitationgenres. Die Gemüter kann es, im Gegensatz zu vielen anderen, weitaus banaleren Filmen der letzten Zeit, nicht mehr erhitzen; dafür ist die Ikonografie zu offensichtlich am Pulp angelehnt. Ähnliches kriegt man heute schon als Coffeetable-Edition im Kunstbuchhandel. Warum also diese Verzagtheit, wenn es ans Eingemachte geht?

Samuel L. Jackson spielt den Farmer und ehemaligen Bluesgitarristen Lazarus, einen rechtschaffenen Hundesohn, der mit seinen Bibelsprüchen bereits seine Frau aus dem Haus getrieben hat. Als er eines Nachts die junge Rae (Christina Ricci) halbnackt und misshandelt auf der Zufahrtsstraße seines Grundstücks findet, nimmt er das Mädchen in seine Obhut. Rae ist den Dörflern ihrer sexuellen Ausschweifungen wegen bekannt. Gleich zu Beginn des Films wird ihr Verlobter Ronnie (Justin Timberlake) in die Armee eingezogen, was bei ihr eine Art erotischen Fieberanfall auslöst. Lazarus hat das passende Rezept für Raes "Krankheit": Noch bevor er ihr etwas Anständiges zum Anziehen geben kann, kettet er die kleine Nymphomanin an seine Heizung, um ihr die Verdorbenheit auszutreiben.

Knapp die Hälfte des Films darf man also einer halbnackten Christina Ricci in schmutziger Unterwäsche und einem abgeschnittenen Konförderierten-Shirt zusehen, bevor Jackson endlich ein Einsehen hat und sie mit einem frischen Blümchenkleid direkt in die Küche steckt - wo sie bald, kein Witz, ein Blues-Traditional anstimmt. Witzig ist "Black Snake Moan" allerdings auch nicht gemeint, vielmehr reicht Brewers dramatisches Verständnis kaum über das hinaus, was man von Exploitation-Filmen gewöhnt ist - selbst wenn ihm eine Sache wirklich ernst zu sein scheint. Hinter der trashigen Oberfläche von "Black Snake Moan" verbirgt sich nämlich eine Missbrauchsgeschichte, die die Kamera - natürlich - weidlich auskostet: Wenn Rae wieder von Vergewaltigungsfantasien heimgesucht wird und Ricci sich im Schlaf windet und räkelt, hält Brewer ungeniert drauf. Ungeniert wäre per se ja kein Problem, würde "Black Snake Moan" im letzten Drittel nicht bruchlos in eine pathetische Heilsgeschichte kippen, ohne dass Brewer die prekäre Prämisse seines Films wenigstens ansatzweise bedacht hätte. Brewers Filme haben einen entscheidenden Haken: Man muss ihm vorhalten, dass er entweder Exploitation am Exploitation-Genre betreibt oder sich mit fragwürdigen Mitteln an dramatischen Stoffen versucht. Weder das eine noch das andere glückt.

Immerhin hat Brewer ein schönes Gespür für Lokalkolorit - und außerdem einen ausgezeichneten Musikgeschmack. Was in "Hussle and Flow" der dreckige Südstaaten-Crunk-Sound war, ist in "Black Snake Moan" der Neo-Delta-Blues des Fat Possum-Labels. Gewidmet hat Brewer seinen Film dem 2006 verstorbenen Blues-Gitarristen R. L. Burnside. Von den alten Männern des Blues könnte Brewer einiges lernen. In zwei Archivsequenzen spricht der Sänger Son House über die Beziehungen von Männern und Frauen im Blues; es sind einfache Wahrheiten, die tief schneiden. "Black Snake Moan" dagegen ist bloßes Kettenrasseln.

"Black Snake Moan". Regie: Craig Brewer. Mit Christina Ricci, Samuel L. Jackson u. a. USA 2006, 115 Min.

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4 Kommentare

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  • M
    Marc

    Ja Jürgen, du bist zu alt.

     

    Aber Google kann dir helfen?

     

    Du kennst Google?

     

    ;)

  • M
    Markus

    Tja, weiter kann man mit einer Filmkritik kaum daneben liegen.

     

    Ich hatte das Glück BSM auf dem Filmfest München zu begutachten. Gesehen habe ich ein großartiges, zuweilen bizarres, jedoch zutiefst bewegendes Schauspielkino. Für mich bisher der beste Film des Jahres.

     

    Welchen Streifen der Autor gesehen hat, weiß ich nicht. BSM erkenne ich in seiner Kritik höchstens in Ansätzen wieder. Und wenn ich mir die übrigen Kritiken so ansehe, stelle ich fest, dass er mit seiner Einschätzung auch ziemlich alleine dasteht.

  • J
    Jürgen

    Race and gender? Exploitation? Pulp? Coffeetable-Edition? Crunk?

     

    Der Autor suhlt sich in einem unsäglichen "Insider Slang". Verstanden habe ich das alles nicht.

    Jürgen

  • K
    Klaus

    Ich finde es richtig, Moral in Filmen zu kritisieren, in die sie nicht gehört. Was ich aber nicht vertehe, ist, warum Filmkritiken in Qualitätszeitungen grundsätzlich nicht ohne unfassbare Tippfehler in zitierten Filmtiteln auskommen!