Fall Kurnaz: Bundeswehr-Daten bleiben verschütt

Verteidigungsministerium versucht vergeblich zu erklären, warum es wichtige Daten ruiniert hat. Untersuchungsausschuss setzt Arbeit aus. Womöglich sind noch Kopien vorhanden.

Auflösungsappell vergangene Woche beim Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr. Von den aufgelösten Daten hingegen könnten noch Kopien existieren. Bild: dpa

Die Daten, die bei der Bundeswehr verschwunden sind, bleiben verschwunden. Der Untersuchungsausschuss des Bundestags hat deshalb am Mittwoch seine Arbeit erst einmal unterbrochen: die Aufklärung des Falls Kurnaz und der Rolle der KSK-Spezialeinheit in Afghanistan. Die Vernehmung eines weiteren Zeugen wurde kurzfristig abgesetzt.

Die Daten haben Vorgänge aus dem Zeitraum 2002 bis 2004 dokumentiert. Das sind genau die Jahre, in denen Kurnaz in Afghanistan und Guantánamo gefangen gehalten wurde. "Wir wollen auf jeden Fall den Eindruck von schwarzen Löchern vermeiden", sagte Winfried Nachtwei, der für die Grünen im Auschuss sitzt.

Die Entscheidung fiel, nachdem das Verteidigungsministerium am Mittwochmmorgen Stellung zum Datenverlust bezogen hatte. Staatssekretär Peter Wichert (CDU) hatte in allen technischen Details beschrieben, wie die Daten Ende 2004 beim Überspielen auf einen Speicherroboter unlesbar wurden. Weil kaputte Daten keiner mehr braucht, seien die Kassetten Mitte 2005 komplett vernichtet worden, argumentierte das Ministerium.

Auf den fünf zerstörten Kassetten hätten sich "Rohdaten" aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr im Ausland befunden. Dazu gehören etwa Berichte über den Zustand verbündeter Streitkräfte. Theoretisch können also auch Informationen über den Anti-Terror-Krieg in Afghanistan dabei sein. Der Bremer Türke Murat Kurnaz behauptet, KSK-Soldaten hätten ihn 2002 in einem afghanischen Gefangenenlager misshandelt.

Dass der Datenverlust bekannt wurde, ist überhaupt nur den Ermittlungen im Fall Kurnaz geschuldet: Der Untersuchungsausschuss hatte im Mai Unterlagen bei der Bundeswehr angefordert. Der Verteidigungsminister musste daraufhin zugeben, die Daten seien "verloren gegangen". Die FDP-Abgeordnete Elke Hoff hält es für "nicht nachvollziehbar", dass das Ministerium zwei Jahre nichts davon gewusst hat.

Der Grüne Nachtwei und andere Ausschussmitglieder halten es für möglich, dass "irgendwo" Kopien dieser Daten vorhanden sind. Womöglich in Einsatzzentralen im Ausland, von wo die Daten stammten. "Die Frage ist nur: Wo genau sollen wir suchen, wenn wir nichts über den Inhalt der Kassetten wissen", sagt Nachtwei. In der Bundeswehr selbst dürfte die Nachforschung fruchtlos bleiben: Rohdaten, die "archiviert" werden - und damit bereits als weniger relevant gelten -, müssen nur in einfacher Kopie gesichert werden.

"Ich sehe keinen Anhaltspunkt für Mutwillen", sagte Nachtwei am Mittwoch zur taz. FDP-Chef Guido Westerwelle wollte "noch nicht beurteilen", ob es sich um einen Skandal handelt oder um einen dummen Zufall. Allerdings gelte in Deutschland das Verwaltungsprinzip "weggeworfen wird nichts" - daher hält er ein "gesundes Misstrauen" für angebracht. Die dritte Oppositionspartei, die Linke, spricht dagegen jetzt schon von einer bewussten "Provokation des Parlaments".

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