piwik no script img

Live EarthWe are the Klimaschützer

Live Earth stellt keine konkreten Forderungen. Dafür bietet das Event noch dem größten Klimaverbrecher die Gelegenheit, Forderungen an die Menschheit zu richten.

Pressekonferenz für Live Earth im Juni 2007 in Schanghai mit Al Gore Bild: ap

HAMBURG taz Auf der Seite der Guten zu stehen ist eine heiße Ware. Der Musikproduzent Kevin Wall hat gelernt, sie zu vermarkten. Vor zwei Jahren gelang ihm ein großer Coup, als er dem kriselnden Internetkonzern AOL die Übertragungsrechte für die Live-8-Konzerte verkaufte. Dieser Erfolg hatte zwar nichts mit Afrika zu tun - die Forderungen an die G 8 sind bis heute unerfüllt -, AOL aber war dafür umso zufriedener. Zwei, vielleicht auch drei Milliarden Menschen verfolgten am 2. Juli 2005, wie Robbie Williams & Co. dafür spielten, dass "Armut bald der Vergangenheit" angehört. Wall gewann einen Emmy Award - und eine Menge neuer Kunden. Im vorigen Jahr einigte er sich mit Microsoft darauf, dass seine Firma Control Room Livekonzerte exklusiv auf der Plattform MSN verbreitet. Um den "ausgewiesenen Unterhaltungs-Appeal für Werbekunden" zu steigern, ließ sich er etwas Besonderes einfallen: ein noch größeres Event für den Klimaschutz.

Am 15. Februar 2007 verkündeten Al Gore und Kevin Wall feierlich die Geburt von Live Earth: Unter dem Motto "Save Our Selves" spielen Weltstars auf Bühnen rund um den Globus, auf allen Kontinenten, 24 Stunden für mehr Klimaschutz.

Live Earth hat aus Live 8 gelernt: Konkrete Forderungen an konkrete Politiker gibt es nicht. Stattdessen wird Al Gore uns heute alle zu einer "Verpflichtung" auffordern. Wir sollen versprechen, dass wir uns für die Halbierung der Emissionen einsetzen und selbst den Ausstoß von Kohlendioxid reduzieren werden. Und natürlich sollen wir "von Unternehmen kaufen", die unser "Bekenntnis zur Lösung der Klimakrise teilen", wie es in einem der Gebote heißt. Welche Unternehmen das sind? Das erfahren wir in Werbeeinblendungen zwischen den Auftritten. Die Auswahl der Sponsoren legt dabei die Vermutung nahe, dass diese Bühne an die Meistbietenden vergeben wurde. So hat Live Earth eine Partnerschaft mit Philips geschlossen, "um dem Klimawandel entgegenzuwirken". Tatsächlich hat der Konzern in den vergangenen zwei Jahren dreizehnmal so viel gewöhnliche Glühbirnen wie Energiesparlampen produziert, weshalb Greenpeace dem Konzern einen "Klimaverbrecher-Award" verlieh. In der Verbindung von PR und Klimaschutz verkehrt sich die Welt: Nicht wir fordern von den Konzernen Engagement, sie fordern es von uns.

Gore wiederum will mit seiner "Alliance for Climate Protection" "um Unterstützung für eine neue US-amerikanische Führung bei den internationalen Bemühungen um eine Lösung der Klimakrise" werben.

Immerhin will Live Earth mit den "Green Event Guidelines" einen ökologischen Standard für Großevents setzen. So soll künftig nur Strom aus erneuerbaren Energiequellen verwendet, eine zurückhaltende Beleuchtung installiert und für das Catering Pfand- und recyclebares Geschirr benutzt werden. Madonna, die im Hybridauto zum Konzert kommen wird, hat einen Song für Live Earth aufgenommen. "Hey you", singt sie, "this could be good.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!