Polen: Skandal überdeckt Skandal

Die Oppositionelle Julia Pitera glaubt, dass Minister Lepper entlassen wurde, um die Öffentlichkeit abzulenken

Radio Maryja-Moderator Pater Tadeusz Rydzyk Bild: reuters

WARSCHAU taz Warum wurde Andrzej Leppers so plötzlich aus der polnischen Regierung geschmissen? Hätte man den umstrittenen Landwirtschaftsminister nicht genauso gut vorher wie später vor die Tür setzen können - angesichts der vielen Skandale in seiner Partei Samoobrona (Selbstverteidigung)?

Julia Pitera von der oppositionellen Bürgerplattform (PO) ist überzeugt: "Alles deutet darauf hin, dass damit die Äußerungen Pater Rydzyks von Radio Maryja übertönt werden sollten." Pater Tadeusz Rydzyk ist nicht nur Direktor des erzkatholischen Senders Radio Maryja in Thorn (Torun), er betreibt auch den Fernsehsender TRWAM, mehrere Stiftungen und eine Medien-Hochschule für den katholisch-nationalistischen Nachwuchs Polens. Auch die Gründung des katholisch-antisemitischen Tageszeitung Nasz Dziennik geht auf seine Initiative zurück. Und eigentlich gilt er als Kaczynski-nah.

In einer nun öffentlich gewordenen Vorlesung Rydzyks in dessen Medien-Hochschule beschimpft er aber Präsidenten Lech Kaczynski als "Betrüger, der der jüdischen Lobby" diene. Die Aufdeckung des Pogroms von Jedwabne habe "den Juden" nur dazu gedient, aus Polen 65 Milliarden Dollar herauszupressen. Die Präsidentengattin Maria Kaczynska sei eine "Hexe", die Euthanasie gutheiße und sich daher selbst der "Euthanasie unterziehen solle".

Während sich in Polen kaum jemand über den massiven Antisemitismus in Pater Rydzyks Worten aufregte, empörten sich viele Politiker und Publizisten über die Beleidigungen des Präsidenten. Polens Episkopat hingegen hüllte sich in Schweigen - gleiches gilt für den Vatikan. In der Samstagsausgabe von Nasz Dziennik erklärte Papst Benedikt XVI. nur: "Aus ganzem Herzen segne ich den Pater-Direktor von Radio Maryja Tadeusz Rydzyk sowie alle, die im Radio Maryja für das Wohl der Kirche und Polens dienen."

Polens Staatsanwaltschaft prüft, ob es sich eventuell um eine Beleidigung des Staatsoberhauptes handeln könnte. "Was sollte Premier Kaczynski tun?", überlegt Julia Pitera. "Er will mit Rydzyk nicht brechen, sich selbst aber als Saubermann präsentieren. Also inszenierte er eine noch größere Affäre, den Rausschmiss Leppers."

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