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WahlenIndisches Sommertheater

Vor den Wahlen nimmt das Geschacher um den Posten des künftigen Präsidenten absurde Züge an. Die Chancen stehen gut, dass erstmals eine Frau gewinnt.

Ihre Chancen auf das Präsidentenamt in der größten Demokratie der Welt stehen nicht schlecht - Pratibha Patil (Mitte, in gelb). Bild: AP

DEHLI taz Zuerst dachten die Leute, das heiße Wetter sei daran schuld. Inzwischen haben sich die ersten Monsunschauer eingestellt, die Temperaturen sind gesunken. Doch noch immer liegen sich die politischen Parteien darüber in den Haaren, wer es nun verdient, in die Zimmerflucht des "Rashtrapati Bhavan" einzuziehen.

Staatspräsident Abdul Kalam, der gegenwärtige Mieter der ehemaligen Residenz der britischen Vizekönige, muss Ende Juli nach fünf Jahren Amtszeit seine Koffer packen. Der Raketeningenieur genießt den Titel eines "Vaters der indischen Atombombe", aber er ist auch ein sanfter alter Mann, Junggeselle, Amateurlyriker und Zitherspieler. Es sind diese Charakterzüge, die ihn in den letzten fünf Jahren zum beliebtesten Amtsinhaber seit der Unabhängigkeit gemacht haben. Ale erster Hausherr des imposanten Sandsteinbaus öffnete er dessen Tore für Schüler, die zu Tausenden schwatzend durch die heiligen Hallen gelaufen sind und wann immer möglich von ihm mit Handschlag begrüßt wurden. Leutselig und bescheiden hatte er die Vision eines jungen, selbst- und verantwortungsbewussten Indiens zu seiner Mission gemacht.

Bereits vor einem Jahr hatte sich eine Kampagne für Kalams Verbleiben entzündet. Wenn es zu einer Volkswahl gekommen wäre, wären ihm drei Viertel aller Stimmen sicher gewesen. Doch weil es die (gewichteten) Stimmen der Vertreter des Parlaments und aller Provinzlegislaturen sind, die den Präsidenten wählen, lief die Kampagne ins Leere. Obwohl es keine Verfassungsschranke gegen eine zweite Amtszeit gibt, nörgelten die Parteien, dies sei noch nie geschehen. Der Versuch, unabhängige Kandidaten aus der Zivilgesellschaft zu lancieren - Nobelpreisträger Amartya Sen, der IT- Unternehmer Narayana Murthi, der Mahatma-Enkel Gopal Gandhi - blieb erfolglos.

Denn nun gingen die Parteianwärter in die Startlöcher. Vizepräsident Bhairon Shekhawat meldete seine Kandidatur an. Er hatte als Vorsitzender des Parlamentssenats gute Arbeit geleistet, kommt aus Rajasthan, einem Staat, der noch nie einen Präsidenten gestellt hat, gehört einer Bauernkaste an, in einem agrarischen Land ein Plus. Doch er ist Mitglied der BJP - und dies ist sein Handicap. Die Partei sitzt in der Opposition und ihre Partner sind auf Distanz gegangen. Die größte Partei ist der Kongress, und er forderte für sich das Nominierungsrecht ein. Mehrere Anwärter traten an - ohne Erfolg. Karan Singh, obwohl mit der nötigen Altersweisheit versehen, fiel als ehemaliger Maharadscha durch. Außenminister Pranab Mukherjee war ein Wunschkandidat der linken Partner, aber Sonia Gandhi mochte den gewieften Parteitaktiker nicht missen. Sie schlug Innenminister Patil vor, einen farblosen Politiker, aber aus dem wichtigen Staat Maharashtra stammend, und ein aufrechter Lehensmann der Gandhi-Dynastie. Nun war es die Linke, die Stunk machte - sie argwöhnte bei ihm hindufreundliche Tendenzen. Andere Versuchsballone platzten, bevor sie richtig abhoben.

Dann spielte Sonia Gandhi plötzlich ihre Trumpfkarte aus. Sie schlug Pratibha Patil vor, eine alte Parteiloyalistin und kaum bekannte Regionalpolitikerin. Aber sie ist eine Frau, sie stammt aus Maharashtra, sie ist mit einem Mann aus Rajasthan verheiratet. Ein Meisterstreich! Gandhi hatte keine Mühe, ihre Koalitonspartner zu überzeugen. Patil hatte zwar nie Profil entwickelt - aber machte sie dies nicht gerade zur "Frau aus dem Volk", zur Stimme der schweigenden Mehrheit? Die Gegner erstarrten - aber nicht für lange.

Bald meldete sich die alte "Dritte Front" von Regionalparteien zu Wort und zog ihr Karnickel aus dem Hut - keinen Geringeren als Abdul Kalam. Was zunächst wie eine leere Theatergeste aussah, erhielt Auftrieb, als Kalam - er hatte bisher vornehm geschwiegen - erklärte, er stehe für eine zweite Runde bereit, falls er der einzige Kandidat sei. Plötzlich schien der Kampf wieder offen, und auch Shekhawat zog seine Samthandschuhe aus. Um Sonia Gandhi eins auszuwischen, sagte er nun: Falls Kalam kandidiert, ziehe ich meine Kandidatur zurück.

Ist es nur die Liebe zu Intrigen und Nadelsticheleien, die die Politiker antreibt, den symbolträchtigen und harmlosen Posten so in den Dreck zu ziehen? Oder steckt politisches Kalkül dahinter? Das Profil der Kandidaten beweist, dass in Indien nichts heilig ist, wenn es um Stimmenfang geht. In zwei Jahren finden Parlamentswahlen statt und vielleicht lohnen es dann die Wähler - die Frauen, die Leute aus Maharashtra und Rajasthan, die Bauernkasten - dem Kongress, dass er ihnen Pratibha Patil geschenkt hat.

Knapp eine Woche vor der Wahl ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Journalisten und Politiker stöbern emsig in Frau Patils Curriculum nach einem politischen Skelett. Vielleicht stolpert sie sogar über ihre eigenen Füße. Als Patil kürzlich für die Abschaffung des Schleiers für Muslima und Dorffrauen plädierte, wurde sie vor allem von den Frauenverbänden beschossen. Statt sich auf die erste Präsidentin zu freuen, fühlen sich die Geschlechtsgenossinnen betrogen. Wieder einmal wird eine Frau erst ins Spiel gebracht, wenn alle männlichen Kandidaten versagen.

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