Russland: Putin friert Vertrag über Abrüstung ein

Russlands Präsident kündigt die Aussetzung die KSE-Abkommens zum Ende des Jahres an. Das dient vor allem dazu, vor den Wahlen innenpolitisch zu punkten

Rasselt Putin nur mit dem Säbel? Bild: dpa

MOSKAU taz Der russische Präsident Wladimir Putin hat per Ukas den Abrüstungsvertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) auf Eis gelegt. Dies teilte der Kreml am Samstag mit. Bereits in der Rede zur Lage der Nation im April hatte Putin mit einem Moratorium des Abkommens gedroht, das 1990 nach Ende des Kalten Krieges einen der Grundpfeiler der Abrüstung in Europa darstellte. Der Kreml begründet den Schritt mit "außerordentlichen Umständen", die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit Russlands "unaufschiebbare Maßnahmen" verlangten.

Mit den Sicherheitsbedenken sind die amerikanischen Pläne gemeint, in Polen und Tschechien ein Raketenabwehrsystem gegen Angriffe aus "Schurkenstaaten" zu errichten. Trotz gegenteiligen Versicherungen Washingtons hält Moskau an der Version fest, die Anlagen seien vor allem gegen Russland gerichtet. Gespräche über ein gemeinsames System verliefen ergebnislos.

Tatsächlich beunruhigt den Kreml weniger die militärische Komponente der US-Pläne als das Vorrücken Amerikas in vormals sowjetisches Herrschaftsgebiet. Der KSE-Vertrag legt Obergrenzen für Artilleriesysteme, Panzer, Helikopter, Flugzeuge und deren Besatzungen fest. 1999 wurde in Istanbul der Vertrag der veränderten Sicherheitslage angepasst. Nationale und territoriale Obergrenzen können demnach nur nach Rücksprache mit den Partnern geändert werden. Die Nato-Staaten haben den Istanbuler Vertrag noch nicht ratifiziert. Sie berufen sich darauf, dass Russland Zusatzvereinbarungen über einen Truppenabzug aus der Moldau und Georgien nicht erfüllt habe.

Russland, das die Istanbuler Vertragsanpassung 2004 ratifizierte, nimmt daran Anstoß und begründet jetzt das Moratorium damit. In der russischen Lesart sind die vom Westen geforderten Vereinbarungen über Truppenabzüge nicht Teil des Istanbuler Vertrages. Überdies wirft Moskau den neuen Nato-Mitgliedern und insbesondere den baltischen Staaten vor, Auflagen des KSE-Vertrags nicht einzuhalten. Aus westlichen Sicherheitsinteressen wäre es, ohne die Substanz des Abkommens zu verändern, auch vertretbar gewesen, der russischen Auslegung zu folgen und den strittigen Punkt aus dem Rahmenvertrag auszuklammern. Zumal Moskau die in Georgien stationierten Truppen bereits abzieht.

Wie wichtig Russland Anerkennung und Aufwertung nimmt, hat der Kreml in der letzten Zeit wiederholt demonstriert. Wenige Stunden nach Putins Paukenschlag zeigte sich das russische Außenministerium wieder versöhnlicher. Das Moratorium bedeute nicht, dass Russland die Türen für einen weiteren Dialog zuschlage. Ohnehin tritt das Moratorium erst in 150 Tagen in Kraft. Russland will also nur reden, ernst genommen und wie ein Gleichberechtigter behandelt werden.

Die Nato bezeichnet Putins Erlass als einen "Schritt in die falsche Richtung". Der KSE-Vertrag sei ein Eckstein der europäischen Sicherheit, sagte ein Sprecher am Samstag. Dennoch zieht kein neuer Kalter Krieg auf. Der Kreml fährt gegenüber dem Westen schon länger einen zwischen Partnerschaft und Opposition oszillierenden Kurs. Russlands wirtschaftliche Vernetzung und die Interessen der russischen Elite verbieten eine offene Konfrontation. Auch wenn sich Russland finanziell erholt hat, wäre das Land einem neuen Rüstungswettlauf nicht gewachsen.

So dient das Säbelrasseln vor allem innenpolitischen Motiven vor den Duma- und Präsidentschaftswahlen. Poltern auf der internationalen Bühne ist in Moskau eine Voraussetzung, um auch innenpolitisch ernst genommen zu werden. Mehr als die Produktion von Feindbildern und außenpolitische Großspurigkeit hat der Kreml den Wählern zudem nicht anzubieten.

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