Atom-Ausstieg: CDU-Politiker verlassen die Stromlinie

Die Ministerpräsidenten Wulff und von Beust fordern, AKW einzeln zu prüfen und abzuschalten, wenn sie die Sicherheitsauflagen nicht erfüllen.

Einstieg in den Ausstieg: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff Bild: dpa

HAMBURG/BERLIN taz Die CDU steigt in den Ausstieg ein. Atomkraftwerke, die nicht den Sicherheitsanforderungen entsprechen, müssen vom Netz, sagte Christian Wulff, Ministerpräsidenten von Niedersachen, der Süddeutschen Zeitung. "Der Zeitraum, in dem es vom Netz genommen wird, kann lange sein. Er kann auch unendlich sein." Wulff forderte, dass jedes AKW einzeln geprüft und nicht schematisch betrachtet werden dürfe. "Da kann es zu früheren Abschaltungen kommen, aber auch zu späteren." Sein Kollege Ole von Beust, Bürgermeister von Hamburg, hatte schon in der vergangenen Woche vorgeschlagen, dass es beim vereinbarten Atomausstieg bleiben soll - allerdings nur für die alten Anlagen. Die Laufzeiten der "moderneren und sicheren Kraftwerke" hingegen sollten verlängert werden.

In der CDU sind das neue Töne. Denn bislang forderten Unionspolitiker zwischen Krümmel in Schleswig-Holstein und dem bayerischen Gundremmingen, dass die Union ganz aus dem Atomausstieg austeigen werde. Der designierte Ministerpräsident von Bayern, Günther Beckstein, forderte am Samstag erneut, die Laufzeiten aller AKW zu verlängern. Und Angela Merkels Statthalter in der CDU-Fraktion, Volker Kauder, warnte gar vor steigenden Stromkosten, wenn die AKW früher abgeschaltet werden würden (siehe Artikel oben).

Grüner noch als die Ministerpräsidenten des Nordens gibt sich Friedbert Pflüger, CDU-Präsidiumsmitglied und ehemaliger Unions-Spitzenkandidat in Berlin. "Kein Ausstieg aus dem Ausstieg", warnte Pflüger in der Wirtschaftswoche. Denn: "Wir würden damit die führende Position der Unternehmen im Bereich der regenerativen Energien aufs Spiel setzen." 2001 hatte die rot-grüne Bundesregierung den sogenannten Atomkonsens beschlossen. Er sieht vor, dass die Atomkraftwerke nach und nach bis 2020 abgeschaltet werden. Die Union war bislang vehement gegen den Ausstieg und kündigte mehrfach an, den Atomausstieg rückgängig zu machen. Die Atomindustrie versucht zudem seit Monaten, dass das Bundesumweltministerium die Übertragung der Laufzeiten für verschiedene AKW genehmigt. Die Konzerne wollen längere Laufzeiten für alte Reaktoren wie in Krümmel und Brunsbüttel. Auch der baden-württembergische Konzern EnBW möchte Strommengen vom Reaktor Neckarwestheim II (Betriebnahme 1989) auf Neckarwestheim I, das schon 1976 ans Netz ging, übertragen.

Zur abweichenden Linie der Landespolitiker äußerte sich CDU-Chefin Angela Merkel gestern nicht. Zumindest nicht öffentlich. Erstaunlich ist jedoch, dass Ole von Beust gestern überhaupt nichts mehr mit Atom zu tun haben wollte. Der CDU-Hanseat weilt im Urlaub, und sein Sprecher Lutz Mohaupt ist nicht der Meinung, dass es zum Thema Atomausstieg derzeit etwas zu sagen gäbe.

Das Schweigen befremdet nicht nur deshalb, weil Krümmel und Brunsbüttel in unmittelbarer Nachbarschaft von Hamburg stehen. In der Hansestadt ist die Diskussion um die Energieversorgung der Zukunft zurzeit auch deshalb besonders hitzig, weil Vattenfall - Haupteigner der AKW Brunsbüttel und Krümmel - ein neues Kohlekraftwerk mit zwei 800-Megawattblöcken bauen möchte, was den CO2-Ausstoß in der Hanststadt ganz erheblich erhöhen würde. Nachdem die Umweltverbände seit Wochen gegen den Klimakiller ankämpften, hat von Beust vorige Woche überraschend gesagt, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. "Das neue Kraftwerk darf das Klima nicht zusätzlich belasten, sondern muss es unter dem Strich verbessern", findet von Beust, der bei den Bürgerschaftswahlen im Februar 2008 die absolute Mehrheit für die Union in Hamburg anstrebt. Da das vermutlich nichts wird, schließt die Hamburger CDU eine Koalition mit den Grünen nicht aus. Das könnte Wulff in Hannover vorher probieren: Die Niedersachsen wählen schon im Januar.

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