Handy-TV: Schluss mit dem Normenkrieg

Ingenieure basteln am Handy-TV, Kommunikationswissenschaftler glauben nicht daran. Zeit, dass in Brüssel ein Machtwort gesprochen wird.

Geeignet nur für die Aufmerksamkeitsspanne von 100 Sekunden Bild: dpa

Medienpolitische Entscheidungen aus Brüssel verhießen in den vergangenen Jahren selten Gutes. Oft genug favorisierte die Kommission das freie Spiel der Marktkräfte, ohne zu bedenken, dass im einen oder anderen Fall eher eine politische Weichenstellung nötig gewesen wäre.

So wäre es für die Marktdurchdringung des digitalen Fernsehens in Europa hilfreich gewesen, ein paar von Rovaniemi bis Porto verbindliche technische Standards festzuschreiben, so dass sich ein europäischer Bürger bei einem Umzug hätte sicher sein können, dass sein DVB-Receiver auch an seinem neuen Wohnort funktioniert, ohne von den "Geschäftsmodellen" lokaler (Pay-TV)-Plattformanbieter ausgebremst zu werden.

Dieser Tage ist nun EU-Kommissarin Viviane Reding an die Öffentlichkeit getreten mit der Drohung, DVB-H als Standard für das Handy-TV EU-weit zu verordnen. Und Recht hat sie. Mit dem Machtwort aus Brüssel würde endlich mal ein Schlussstrich gezogen unter einen der zahlreichen Normenkriege zwischen Industrie, Netzbetreibern und Inhalteanbietern. Und ein Ende gemacht würde auch der aberwitzigen Forschungs- und Entwicklungskonkurrenz für eine Technologie, die ohnehin kaum ein Mensch braucht.

Mobil-TV auf dem Handy ist ein Unfug, der seit drei Jahren durch die Fachwelt geistert. DVB-H und DMB, eine Weiterentwicklung des digitalen Radiostandards DAB, wetteifern um die Gunst der desinteressierten Nutzer. Feldstudien während der Fußball-WM haben längst bewiesen, dass die Nutzung von Mobil-TV schnell an Faszination verliert. Wer will schon einen Spielfilm im Mäusekino gucken?!

Selbst die Ingenieure haben mittlerweile begriffen, dass Handy-TV, wenn überhaupt, nur von kurzen Formaten lebt. Eine 1:1-Abbildung des ARD-Programmes würde niemand ansehen, die 100-Sekunden-"Tagesschau" schon eher. Die Feldforscher haben aufwändig festgestellt, dass Handy-TV meist nur beim Warten auf die S-Bahn oder in der Kaffeepause angeschaltet wird, da es die Aufmerksamkeit von Auge und Ohr wesentlich stärker bindet als das Nebenbeimedium Radio. Die Erkenntnis hätte man auch billiger haben können, wenn man vor der Technologieentwicklung Kommunikationswissenschaftler befragt hätte.

Hans-Jürgen Kleinsteuber, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Uni Hamburg, erklärt sich die widerspruchsfreie Debatte um Handy-TV so: "Die Ingenieure, die für die Genese der Techniken verantwortlich sind, und die Juristen, die für die paragrafenmäßige Umsetzung in der Verantwortung stehen, wollen gemeinsam die Sozialwissenschaftler heraushalten, weil die natürlich sofort sehen, wo Defizite sind, wo vielleicht heiße Luft produziert wird von Ingenieuren."

So bietet ein Standardisierungs-Machtwort aus Brüssel die Chance, dass nicht mehr so viel Gehirnschmalz verplempert wird bei der Entwicklung von neuen Geräten, Geschäftsmodellen und Sendeformaten. Es reicht doch, wenn nur eine Technik am Markt versagt.

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