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SolarenergieBrüder, zur Sonne, nach Freiburg!

Der Berliner Senat hofft, dass sich die Jobs in der Solarbranche bis 2009 mehr als verdoppeln. Freiburg setzt seit zehn Jahren auf neue Energien. Ein Vergleich

BERLINER SONNE

Durch Licht und Sonne können in den nächsten zwei Jahren fast 500 neue Arbeitsplätze allein in Berlin entstehen. Er habe "deutliche Signale" der Industrie dafür, dass die Zahl der Arbeitsplätze in der Produktion von Solaranlagen von derzeit 350 auf über 800 bis 2009 wachse, sagt Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei). Die Förderung der hauptstädtischen Solarindustrie diene deshalb nicht nur dem Klimaschutz, sondern sei handfeste Industriepolitik. "Wir erwarten erhebliche Wachstumsschübe", frohlockt Wolf und appellierte an den Bund, erneuerbare Energien auch weiterhin kräftig zu fördern.

Noch steckt der Hoffnungsträger Solarindustrie in Berlin jedoch in den Kinderschuhen. Während etwa in Sachsen bereits Fabriken Solarzellen produzieren, werkeln in der Hauptstadt vorwiegend Start-up-Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern. Nur im Verbund mit Brandenburg kann Berlin für sich beanspruchen, einer der vier wichtigsten Solar-Standorte in Deutschland zu sein - hinter Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. "Wir sprechen inzwischen schon vom Solar-Valley Ostdeutschland", sagt der Geschäftsführer des Branchenverbandes Solarwirtschaft, Carsten Körnig.

In den neuen Bundesländern haben sich dank bevorzugter Förderung durch die EU zahlreiche Firmen der Solarbranche angesiedelt. Die Solarlobby erwartet in spätestens zehn Jahren einen enormen Aufschwung. Dann wird Solarstrom - wenn die Preise weiter steigen wie bisher - genauso viel kosten wie Strom aus Kohle- oder Atomkraftwerken. Derzeit kostet eine Kilowattstunde noch das Doppelte.

Als Standort ist Berlin für Unternehmer vor allem attraktiv wegen der hier ansässigen Forschungsinstitute, etwa das Hahn-Meitner-Institut in Wannsee. Als Markt spielt die Hauptstadt für die Firmen bisher kaum eine Rolle. Nur 0,1 Prozent der Energie für Warmwasser, Strom und Heizung liefert die Sonne. 30 Prozent wären potenziell möglich, meint Körnig. Dass die Sonne faktisch kaum eine Rolle spielt, liege auch an der geringen Zahl von Eigenheimen, meint Körnig.

"Der Senat ist zu langsam", kritisiert dagegen der Energieexperte der Grünen, Michael Schäfer. So arbeiteten die Senatsverwaltungen seit Jahren ohne Ergebnis an einem Energiespargesetz. Dieses soll regeln, dass nach Sanierung oder Neubau von Häusern ein gewisser Teil der Energie aus erneuerbaren Quellen kommt.

Die Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo pflanzt Sonnenkollektoren bereits seit fünf Jahren auf frisch sanierte Dächer. So werden 1.600 Wohnungen ergänzend mit Solarwärme geheizt. In den nächsten drei Jahren werden bis zu 2.000 Wohnungen dazukommen, so der Projektleiter für Wärme, Volker Ries. Die Mieter bezahlen die Anlagen zunächst als Mieterhöhung. Durch steigende Preise für Öl und Gas würden sie jedoch profitieren. "Denn die Sonne schickt keine Rechnung." Die Installation von Photovoltaik-Anlagen zur Stromerzeugung würde sich für die Wohnungsbaugesellschaft aber nicht rentieren, so Ries. Der Aufwand wäre dreimal so groß wie der Nutzen.

FREIBURGER SONNE

Freiburg hat früh geschaltet. Mitte der 90er, als hier Stadtplaner im Nachwendeboom von der Weltstadt Berlin träumten, setzte die Stadt im Breisgau voll auf erneuerbare Energien: "Wir haben früh erkannt, das das ein Wirtschaftsfaktor ist", sagt Gerda Stuchlik, die grüne Umweltdezernentin. Ein künftiger Wirtschaftsfaktor könnte Ökotourismus werden. Denn Stuchlik führt des öfteren Journalisten aus Brüssel oder Bürgermeisterkollegen aus Frankreich durch ihre Stadt.

Vorbei an der Solarfabrik, einem der europaweit führenden Solarunternehmen mit 200 Mitarbeitern, am Hauptbahnhof, an dem die erste senkrecht an der Fassade angebrachte Solaranlage Deutschlands hängt, und vorbei an der Universität Freiburg, der "Solar-Uni" (Eigenwerbung), die im April ein Zentrum für erneuerbare Energien gegründet hat. Natürlich kann man Freiburg kaum mit Berlin vergleichen. Das baden-württembergische Städtchen hat knapp 220.000 Einwohner, ist reich, und im Vergleich zur Mieterstadt Berlin gibt es viele engagierte Häuslebesitzer. Außerdem scheint ständig die Sonne. Aber dennoch kann Berlin von der Erfolgsgeschichte, die Gerda Stuchlik erzählt, einiges lernen.

"Unsere Grundphilosophie ist: Wir möchten erneuerbare Energien in alle Bereiche des Lebens integrieren." Die Stadt gibt Grundstücke günstig an Solarfirmen ab, legt Förderprogramme für die Bürger auf, baut Solarzellen auf Dächer städtischer Bauten und hat das Glück, mit dem Fraunhofer-Institut eine bekannte Forschungsstätte zu beherbergen. Schulen haben Photovoltaikanlagen auf dem Dach und behandeln das Thema im Unterricht, Handwerksbetriebe bringen ihren Lehrlingen bei, Holzpelletheizungen zu warten, jetzt kommt das Unizentrum dazu. "Bei uns gehören neue Energien eben dazu - vom ersten Lernen über die Ausbildung bis zur Berufswahl."

Das Ergebnis ist beeindruckend: Die Solarkurve Freiburgs weist seit Mitte der 90er - sowohl bei der Wärme- als auch bei der Stromerzeugung - steil nach oben. 90.000 Quadratmeter Photovoltaikzellen pflastern die Dächer. Das ist die doppelte Fläche des Olympiastadion-Daches und viel für eine kleine Stadt. Die Zellen produzieren über 9.000 Kilowatt. Die Solarbundesliga ist ein von der Deutschen Umwelthilfe und einem Verlag organisierter Städtevergleich der Solarflächen. Freiburg lag 2006 auf Platz 1. Aktuell liegt es nur auf Platz 3, Berlin auf Platz 919.

Freiburg hat gegenüber der Hauptstadt einen unschlagbaren Vorteil: das Bewusstsein eines Großteils seiner Einwohner. Die Antiatomkraftbewegung war in der Gegend stark. "Die Grundstimmung ist: Wir können Strom auch ohne Atomenergie erzeugen", sagt Stuchlik. Seit 2002 stellen die Grünen den Oberbürgermeister, Dieter Salomon war der Erste seiner Partei, der als Oberbürgermeister eine Großstadt regieren durfte. Und Freiburgs Ziele bleiben ambitioniert: Bis 2010 sollen 10 Prozent des in der Region erzeugten Stroms aus neuen Energien stammen, so hat es der Gemeinderat beschlossen. Bisher sind es 3,7 Prozent. Gerda Stuchlik hat noch viel zu tun.

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