Kommentar: Ersatzdebatte um Käse und Quark

Hartz IV gehört angepasst: Und zwar nicht nur an die steigenden Milchpreise. Schließlich lebt der Mensch nicht vom Quark allein.

Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Diese banale Erkenntnis müssen sich nun die Sozialpolitiker von SPD, Grünen und Linkspartei um die Ohren hauen lassen, die die steigenden Milchpreise zur Wiederholung einer alten Forderung nutzen: Hartz-IV-Empfänger sollten nun mehr Geld bekommen, sagen sie. Richtig ist diese Forderung allemal. Allein der Anlass, sie zu erheben, wirkt doch etwas bemüht. Und - zumindest bei SPD und Grünen - auch etwas hilflos.

Es war schließlich die rot-grüne Bundesregierung, welche die umstrittenen Hartz-IV-Gesetze eingeführt hat. Sie hatte damals alle Möglichkeiten, zwei Bedingungen für die neue Sozialleistung zu erfüllen: eine angemessene Höhe und eine automatische, zeitnahe Anpassung an die Steigerung der Lebenshaltungskosten.

Beides wurde bewusst unterlassen, um die Ausgaben für das so genannte Arbeitslosengeld II so gering wie möglich zu halten. Dies ging auf Kosten vieler älterer Arbeitsloser, die oft jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung einzahlten. Dass die tatsächlichen Kosten von Hartz IV dann höher waren als - ohnehin unrealistisch - geplant, ändert nichts an der ursprünglichen Zielsetzung.

Zudem hat Hartz IV mittelbar den Kreis derjenigen erweitert, die jetzt unter steigenden Lebensmittel-, Energie-, Miet-, Bahn- und sonstigen Preisen leiden. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs müssen sich immer mehr Menschen mit niedrig bezahlten, unsicheren oder befristeten Tätigkeiten über Wasser halten. Denn nun sind Erwerbslose schneller gezwungen, einen schlechteren Job oder Honorarauftrag anzunehmen, um nicht auf Hartz IV abzurutschen.

Politisches Ziel sollte es sein, die Lebenssituation von allen, die mittel- oder unmittelbar von Hartz IV betroffen sind, zu verbessern. Nötig dafür wäre allerdings eine umfassende Reform der Arbeitsmarktreformen. Dass es dazu kommt, ist derzeit unwahrscheinlich. Solange das so ist, gilt: Wer darüber nicht reden will, sollte von den Milchpreisen schweigen. Quark und Käse allein machen schließlich nicht satt.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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