Darfurs Flüchtlingscamps: Morde in Sichtweite

In Darfur leben mehr als zwei Millionen Flüchtlinge zusammengepfercht in Lagern. Hilfe ist oft nicht möglich. Selbst in Sichtweite der Camps wird vergewaltigt und gemordet.

Flüchtlinge unter provisorischem Dach im Es Sallam Flüchtlingslager (Archivbild vom Frühjahr). Bild: ap

NAIROBI taz Im Lager von Kaguro im Norden Darfurs herrscht Angst. Kenny Gluck vom Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen, der gerade von dort zurückgekehrt ist, schüttelt den Kopf. "Wir haben Patienten, die dringend in ein Krankenhaus gebracht werden müssten, aber sie weigern sich, weil sie Angst vor Überfällen auf der Reise haben." Verdenken kann Gluck ihnen das kaum: Aus Angst vor Überfällen hat auch seine Organisation alle Überlandfahrten eingestellt. "Weite Teile der Bevölkerung, die nicht in den großen Lagern leben, können wir deshalb schlicht nicht erreichen."

Die AU-Truppen, die Gluck auf seiner Reise immer wieder an Ortsrändern stationiert gesehen hat, können die Sicherheit der Hilfskonvois nicht garantieren. Manche Hilfsorganisationen wie die französischen Ärzte von Médecins du Monde haben Darfur deshalb bereits ganz den Rücken gekehrt. "Wir werden jeden Tag angegriffen: In manche Gebiete können wir überhaupt nicht mehr reisen, woanders werden unsere Mitarbeiter regelmäßig entführt oder ausgeraubt", schildert Mike McDonagh, der humanitäre Koordinator der UN im Nord-Sudan, seinen Alltag. Eine halbe Million Notleidende, so seine Schätzung, können deshalb derzeit nicht versorgt werden. Dazu kommt, dass zahlreiche Flüchtlingslager, die vergleichsweise guten Schutz bieten, überfüllt sind. Im Camp von Daressalam nahe der Provinzhauptstadt El Fasher etwa machte das UN-Flüchtlingshilfswerk vor mehr als einem Jahr die Tore dicht: Seitdem campen Tausende im Umland des Lagers, ohne Unterkunft, ohne Lebensmittel, ohne Schutz.

Selbst in Sichtweite der Camps würden täglich Menschen überfallen, vergewaltigt oder ermordet. "Das Schlimmste ist", so Gluck, "dass es für die Vertriebenen nur Angst und keine Perspektive gibt: Der Krieg hat ihnen nicht nur ihren Besitz und oft ihre Familie, sondern ihr ganzes Leben genommen". Daran wird auch die UN-Truppe nichts ändern können: Mehr Sicherheit erhoffen sich Helfer wie Gluck, für sich selbst und für die Notleidenden. Doch damit die Menschen zurück in ihre Dörfer können, muss es eine politische Lösung geben. Die aber können Soldaten nicht bieten.

Zudem gibt es bei den Helfern Zweifel, ob Sudans Regierung die Entsendung der Blauhelme tatsächlich zulassen wird - oder die Stationierung nicht doch möglichst lange verzögert. Solche Taktiken kennen Hilfswerke, die ständig neue Genehmigungen beantragen und im vergangenen Jahr mehr als 1 Million Dollar "Sondersteuern" zahlen mussten, aus eigener Erfahrung. Jenny Ross von der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam nennt den Plan, die Truppen bis Ende des Jahres in Darfur zu haben, "sehr ambitioniert". "Vor allem aber befürchte ich, dass AU und UN vor lauter Euphorie jetzt andere Ziele aus den Augen verlieren, die den Menschen sofort helfen würden: etwa eine bessere Ausstattung der AU-Truppen und das Aushandeln eines sofortigen Waffenstillstands." Ross glaubt, dass es noch dauern wird, bis die Blauhelme in Darfur ankommen. "Und langes Warten können sich die Menschen in Darfur nicht leisten."

Die irische Hilfsorganisation Concern warnt im Westen Darfurs bereits vor Mangelernährung bei Kleinkindern. "Das ist erschreckend, weil wir uns jetzt erst am Anfang der Periode befinden, in der es traditionell wenig Nahrung gibt", warnt der Sudan-Direktor der Organisation, Janu Rao. Besonders schlimm sei die Lage in Städten wie El Geneina, wo die Menschen - anders als in den Lagern - nicht einmal Notrationen bekämen.

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