Youtube: Popkultur und Diskussion
Wie viele Jungfrauen warten denn nun im Paradies? Auf Youtube provoziert ein Filmtrailer mit zweifelnden Selbstmordattentätern eine neue Kontroverse.
Geboren wurde der Videoclip im Fernsehen, und er lebt im Internet. Auf Seiten wie Youtube findet man sein bekanntes Format: schnelle Schnitte, schnelle Musik, Zuspitzung auf eine zentrale Botschaft. Alles in durchschnittlich drei Minuten.
Vielleicht sind es die drei Minuten, die vor einer Verabredung noch bleiben, oder die drei Minuten Zeit während des Zähneputzens. Groß geworden mit dem Videoclip der 90er-Jahre, scheint das Gehirn eines Youtube-Nutzers jedenfalls auf Drei-Minuten-Frequenz zu laufen.
Schneller als jeder Musiksender es könnte, spiegelt Youtube das, was sehenswert ist oder zumindest dafür gehalten wird. Die Seite produziert Nachrichten und Skandale, wie im vergangenen Dezember, als kurz vor Jahreswechsel Saddam Husseins Tod als kurze Minutensequenz von der ganzen Welt gesehen und kritisiert wurde. So findet sich auf Youtube eine eigentümliche Mischung aus Popkultur, Voyeurismus und Trash. Oft alles andere als politisch korrekt. Auch der neuesten skandalträchtigen Sequenz im Netz wird politische Unkorrektheit vorgeworfen, für die sie von anderen zugleich gefeiert wird. Der Trailer zu dem im September anlaufenden Film "Postal" des umstrittenen Regisseurs Uwe Boll provoziert mit einer Satire über den 11. September: Zwei Terroristen sitzen im Cockpit eines Flugzeugs und streiten darüber, wie viele Jungfrauen auf sie warten werden, im Paradies. 100? Oder nur 99? Es hilft nichts, sie müssen nochmal nachfragen, bei Ussama. Die Antwort fällt enttäuschend aus, schließlich gibt es viele Attentäter zu versorgen.
Clips wie dieser spalten die Zuschauer. Und sie zeigen, dass Youtube mehr ist als Popkultur. Anders als im weniger unmittelbaren Fernsehen entwickeln sich in den Kommentarlisten hitzige Debatten. Ist das Satire? Darf das Satire? Hier wird darüber gestritten.
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