Kommentar: Alltäglicher Kontrollwahn

Die US-Demokraten wollen das neue Abhörgesetz nur etwas nachbessern. Im Kampf gegen den Terror bleibt dem Weißen Haus also alles erlaubt.

Das neue Abhörgesetz "tut der US-Verfassung Gewalt an", da hat die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, völlig recht. Sechs Monate lang können nun sämtliche Telefonate und E-Mails, die über US-Leitungen mit dem Ausland geführt werden, ohne gerichtliche Genehmigung und Kontrolle abgehört werden - dafür reicht ein vager Terrorverdacht der US-Geheimdienste aus, der weder begründet noch dokumentiert werden muss. Das haben die US-Demokraten wortreich kritisiert. Um nun in ausreichender Zahl dafür zu stimmen, dass der Verfassungsbruch zum Gesetz wird.

Genau dies, nämlich die Kommunikation von US-Bürgern mit Ausländern zu belauschen, haben die US-Geheimdienste auch schon getan, als es noch illegal war. Als das aufflog, hat es im "Land of the Free" ein Skandälchen provoziert, weil es nicht allen Amerikanern egal ist, lückenlos überwacht und kontrolliert zu werden. Aber vielen. Genug jedenfalls, um Präsident Bush das Gefühl zu geben, er könne dies nun legal und offiziell etablieren: Nicht nur Ausländer untereinander abzuhören, von denen ja keiner weiß, ob etwa eine Berliner Internetleitung virtuell über einen US-Server läuft, sondern auch US-Bürger, die Kontakte mit Ausländern, also Generalverdächtigen, haben.

Die Sammelwut und der Kontrollwahn der weitgehend unkontrollierten US-Geheimdienste etwa bei der Einreise in die USA ist längst Alltag. Doch auch wenn die jüngste Untersuchung der US-Visit-Datenbank ergeben hat, dass die Einträge leicht von Unbefugten manipuliert werden können, löst das in Amerika keinen konzertierten Protestschrei aus.

Machen wir uns nichts vor: Die US-Demokraten haben in der Debatte um das neue Abhörgesetz aus persönlichen Animositäten und wahlkampftaktischen Gründen diesen und jenen verzögernden und leicht abschwächenden Einwand vorgetragen, und sie wollen das Gesetz in sechs Monaten etwas nachbessern. Aber niemand hat den fatalen und maßlosen Lauschangriff prinzipiell kritisiert. Das heißt: Im Kampf gegen den Terror ist und bleibt dem Mann wie der potenziellen Frau im Weißen Haus alles erlaubt.

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