Gerichtsurteil: Bewährungsstrafe für Knallköpfe

Gericht verurteilt zwei Brüder, weil sie während der Liebknecht-Luxemburg-Demo Böller zündeten. Ihr Motiv bleibt unklar.

Jedes Jahr bringen Tausend Nelken zu Karl und Rosa Bild: reuters

Wenn zwei Brüder mal eine "dumme Sache" machen, bei der niemand verletzt wird und sich die beiden später reuig entschuldigen, drückt manch einer vielleicht ein Auge zu. Doch die Zündung mehrerer Böller bei der Gedenkdemo für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht war kein Lausbubenstreich. Das Amtsgericht wertet dies sogar als Anschlag mit Sprengstoff. Es verurteilte die beiden bislang nicht Vorbestraften, Dietmar (50) und Volker (47) G., am Dienstag zu jeweils einem Jahr Haft auf Bewährung wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in einem minderschweren Fall.

Die Angeklagten gestanden, vier sogenannte Polenböller an einem Brückenpfeiler des S-Bahnhofs Frankfurter Allee mit einer Fernzündung in die Luft gejagt zu haben, während Zehntausende zur Erinnerung an die am 15. Januar 1919 ermordeten Kommunistenführer von Friedrichshain nach Friedrichsfelde zogen. Dabei sei zwar niemand verletzt worden, weil die Demonstranten gut zehn Meter entfernt marschierten, so der Richter, doch hätten die Angeklagten in Kauf genommen, durch den hohen Schalldruck Menschen zu verletzen. Die Gefahrenlage sei minimal gewesen.

"Es tut uns leid, das war eine blöde Sache", räumten die Brüder ein, die offensichtlich Angst haben, durch den Prozess ihren Job zu verlieren. Unmittelbar nach der Tat hatten sie sich gestellt, offenbar überrascht von der Aufregung, die sie ausgelöst hatten.

Zu ihrem Tatmotiv wollten sich der Informatiker Volker G., ein untersetzter grauhaariger Mann, und der seinem Bruder sehr ähnelnde Programmierer Dietmar G. nicht äußern. Nach Erkenntnissen der Ermittler sind sie nicht, wie zunächst vermutet worden war, der rechtsextremen Szene zuzuordnen. Der Staatsanwalt vermutete einen "antikommunistischen Hintergrund".

Strafverschärfend wurde den Geschwistern angelastet, dass die Aktion in einer Zeit stattgefunden habe, in der die Öffentlichkeit in Angst vor terroristischen Anschlägen lebe. "Alle dachten damals sofort, dass es einen rechtsextremen Anschlag gegeben hätte. Die Detonation war sehr laut", berichteten Lars Schmidt und Stefan R. von der Antifa Linke Berlin, die die Explosion bei der Demo beobachtet hatten und am Dienstag während der Verhandlung im Zuschauerraum saßen. R. kritisierte das Urteil: "Ich bin schockiert, dass die politische Motivation so heruntergespielt wurde."

Bereits vor sieben Jahren war die traditionelle Demonstration durch einen Anschlag bedroht worden. Damals hatte ein Mann in einem Brief angekündigt, die Veranstaltung mit Handgranaten und einer Maschinenpistole anzugreifen. Die Demo stand damals kurz vor eine Absage. Der Mann machte seine Drohung glücklicherweise aber nicht wahr und wurde später festgenommen.

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