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ins wasser gefallen (3)Reisen in Zeitlupe

Brandenburg bietet perfekte Bedingungen für Urlaub auf dem Wasser. Die taz hat es ausprobiert. Heute: Mit dem Hausboot von Templin nach Fürstenberg

Die "Biberburg" auf der Havel Bild: taz

Rechts geht's nach Templin, links zur Havel. Mehr muss man nicht wissen, wenn man sich in Hindenburg ein Hausboot mietet. Mehr kann die Frau vom Verleih auch nicht erklären, als sie uns in die Fahrt mit der "Biberburg" einweist. Sie drückt uns die Wasserstraßenkarte in die Hand - an der Havel darf man nicht am Ufer anlegen, sagt sie noch.

Auf der Karte sind kleine rote Bomben eingezeichnet, links und rechts des Flusses. Minenfelder. Es ist nicht lange her, dass die Soldaten von hier abzogen. Betreten des Geländes verboten. Aber wir wollen gar nicht aufs Festland, wir wollen eine Woche nur unser Hausboot unter den Füßen haben - und Wasser.

Meistens aber ist das Wasser über uns. Es regnet. Es gewittert, gleich beim Ablegen von der Verleihstation. Wir spannen das orangene Sonnensegel auf, es wird eine Woche lang unsere Regenplane, unter der wir auf der Terrasse der Biberburg sitzen und in die Langsamkeit eintauchen. Fünf PS schafft der Motor, dafür braucht man nicht einmal einen Motorbootschein. Es ist auch kein wirkliches Steuern nötig: Man sitzt auf dem Hochsitz, legt einen Gang ein, dreht bei der nächsten Flussbiegung am Lenkrad und wartet - bis sich das Ponton mit der kleinen Holzhütte in die Richtung bewegt. Zusammen mit dem Boot manövriert man sich in eine Art meditative Zeitlupe. Auch die Grau- und Fischreiher scheinen davon ergriffen, sie lassen uns ganz nah heran und heben mit Verzögerung, im letzten Moment, ab.

Wir wollen die Havel hinauf, nach Lychen. Luftlinie sind es hin und zurück knapp 40 Kilometer, wir haben fast eine Woche Zeit dafür. Vorbei an Seen und Schleusen, die meisten im Automatikbetrieb. Es sind immer ähnlich protzige Yachten, die an uns vorbeiziehen. Immer sitzt der Mann am Steuer, immer wirft die Frau die Fender aus, damit das Schiff in der Schleuse nicht die Wand rammt. Und immer richten sie ihre Digitalkamera auf uns.

Wir sehen anders aus mit unserem Gefährt. Nur einmal sehen wir Unsergleichen. Allerdings ist es ein Hausboot der Luxusklasse: geräumig, ein Loft auf schwimmendem Grund, bestehend nur aus Glas, ein wenig Holz. Auf dem Oberdeck ein weites weißes Hochzeitsbett, auf dem eine osteuropäische Schönheit und ein Daniel Brühl-Typ lasziv posieren. Scheinwerfer, eine Kamera auf sie gerichtet. Hier, kurz vor der Kannenburger Schleuse, dreht ein Filmteam den Werbespot für die neue Kuschel-Rock-CD. Setting: der brandenburgische Amazonas. Das Team ist die große Einnahmequelle für den Besitzer der Anlegestelle und der Gaststätte nebenan. Auch der rbb habe hier schon gedreht, erzählt der rundliche Herr. Aber diesmal könne er drei Tage lang auch noch das Catering übernehmen und an den Brötchenhälften für das ganze Team verdienen.

Unsere schönsten Anlegestellen sind kostenlos. Des Nachts werfen wir die Anker, wo es uns gefällt. Zelten am Ufer wäre verboten, aber auf dem Wasser ist fast alles erlaubt. Wir stranden in kleinen Buchten, schaukeln im Gewitterprasseln auf dem Lychensee und lassen uns in den Doppelstock-Kojen wiegen. Wieder an Land werden wir wanken wie Matrosen auf Heimaturlaub.

Die Tage ziehen vorbei, so langsam wie wir das Wasser der Havel durchstreifen. Nur einmal haben wir es in dieser Woche eilig. Am letzten Abend wollen wir noch zum Schleusengang vor acht Uhr abends in Kannenburg ankommen. Es ist eine der seltenen Schleusen, bei der es eines Wärters bedarf, der noch Hand anlegt und kurbelt. Wir schalten in den höchsten Gang. Bei einem Auto kann man meistens immer noch mehr Gas geben, bei uns ist mit der dritten Hebelstufe Schluss. Wir können nicht schneller als sieben Stundenkilometer - flussabwärts.

Vor uns die Havel, die sich dehnt wie in Zeitlupe. Kurz vor dem Ziel sehen wir, wie der Schleusenwart dicht macht und mit dem Auto davonfährt. Feierabend. Zu spät. Immerhin: Wir haben wieder alle Zeit der Welt. Dann steuern wir zurück auf den Kuhwallsee und suchen uns den besten Platz, um am nächsten Morgen den Sonnenaufgang zu sehen.

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