Steuerreform: Eine Minireform für Frauen

Das neue Steuergesetz soll Frauen ermutigen, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Doch das größte Hindernis dafür, das Ehegattensplitting, soll bleiben.

Kein Grund zu übertriebenem Jubel: Am Ehegattensplitting hält das neue Gesetz fest. Bild: dpa

BERLIN taz Das neue Modell soll mehr Fairness in die Familien bringen - zumindest bei der Lohnsteuer. Gestern verabschiedete das Bundeskabinett ein neues Verfahren zur Besteuerung von Ehegatten, das endlich einen oft kritisierten Missstand beheben soll. Das heutige System ermutigt Ehefrauen nicht gerade dazu, einer Erwerbsarbeit nachzugehen.

Gestern billigte das Kabinett den Entwurf für das Jahressteuergesetz 2008. Im Herbst werden Bundestag und Bundesrat darüber beraten. Mehr als 200 Änderungen sind geplant, die wichtigsten betreffen die Besteuerung von Ehepartnern, die Abschaffung der Lohnsteuerkarte und die Einführung einer zentralen Datenbank. Bereits im Juli wurde damit begonnen, ausnahmslos jeden Einwohner der Bundesrepublik mit einer neuen, elfstelligen Steuer-Identifikationsnummer zu erfassen. Eine zentrale Erfassung von Daten gab es in Deutschland bislang nicht. DZY

Wird der Plan tatsächlich beschlossen, erwarten verheiratete Paare künftig eine Vielfalt möglicher Steuermodelle. Bislang können sie lediglich zwischen zwei Varianten wählen. Entweder lassen sich beide in der Steuerklasse IV einstufen, was der übliche Weg ist, wenn beide in etwa gleich viel verdienen. Oder sie wählen die Steuerklassen III und V. Dann werden alle Freibeträge dem Besserverdienenden zugerechnet. In der Regel ist dies der Mann.

Frauen, die in der Klasse V eingestuft sind, müssen relativ viel Steuern bezahlen. Auch wenn sich dies über den Lohnsteuerjahresausgleich wieder ausgleicht, erhalten die Frauen ein eher niedriges Nettogehalt.

Gerade dieser psychologische Effekt ist es, der die Kritik hervorruft. Frauen könnten das Gefühl haben, dass sich ihr Teilzeitjob gar nicht lohnt. Die Wirkung verstärkt sich dadurch, dass Ehepaare oft ihre Finanzen nicht auseinanderrechnen: Längst nicht jeder Mann leitet das Geld, das er durch das Steuermodell einspart, an seine Frau weiter.

Zudem ist der Wechsel in eine ungünstige Steuerklasse nicht so unerheblich, wie viele Paare oft vermuten. Leistungen wie das Elterngeld oder das Arbeitslosengeld orientieren sich an den Nettoeinkünften. Und die fallen in der Steuerklasse V deutlich bescheidener aus.

Schon lange fordern Kritiker daher, das bestehende Modell abzuschaffen. Auch im Koalitionsvertrag steht ein entsprechender Passus. In der Praxis aber schreckt die Koalition nun vor einem deutlichen Schnitt zurück. Sie will das heutige Modell nicht ersetzen, sondern bloß um eine neue Variante ergänzen.

Bild: taz

Bei dem nun beschlossenen Verfahren bezahlt jeder Ehepartner genauso viel Lohnsteuer, wie es seinem Anteil an den Einkünften der Familie entspricht. Wer also dreißig Prozent des gemeinsamen Einkommens verdient, soll auch dreißig Prozent der Lohnsteuer abführen. An der Jahressteuersumme ändert das zwar nichts, dürfte aber den Frust beim Blick auf den Lohnzettel mindern. Die Frauen hätten jeden Monat etwas mehr Nettogehalt auf dem Konto.

Problematisch sei das Verfahren allerdings aus Sicht des Datenschutzes, sagt Uwe Rauhöft vom Verband der Lohnsteuerhilfevereine. Der Arbeitgeber erfahre auf diese Art, wie viel die Partner oder Partnerinnen seiner Angestellten verdienen - ein Wissen, das ihn womöglich bei der Entscheidung über Entlassungen oder Gehaltserhöhungen beeinflusse.

Bild: taz

Mit dem neuen Verfahren reagiert die Politik auf den immer wieder formulierten Vorwurf, dass das geltende Steuersystem die tradierte Hausfrauenehe zu sehr belohnt und damit die Bemühungen, Frauen stärker an Berufs- und Karrierechancen teilhaben zu lassen, konterkariert.

Ob das neue Modell mehr leistet als eine geringfügige Korrektur, ist jedoch umstritten. Achim Truger, Steuer- und Finanzexperte bei der Hans-Böckler-Stiftung, sieht in den Steuerklassen nur die Symptome für einen grundsätzlichen Missstand: "Das Hauptproblem ist das Ehegattensplitting", sagte er der taz. "Solange es existiert, gibt es einen steuerlichen Anreiz, als Ehefrau nicht arbeiten zu gehen, weniger arbeiten zu gehen oder in geringfügige Beschäftigung zu gehen." Beim Ehegattensplitting wird das gemeinsame Einkommen gedanklich beiden Partnern je zur Hälfte zugeordnet. Auf dieser Grundlage wird dann die Steuerlast ermittelt.

Wegen der Progression im Steuersystem profitieren von dieser Regelung insbesondere Paare, bei denen der Mann viel und die Frau wenig oder gar nichts verdient.

Eine Regelung wie die deutsche sei mittlerweile ungewöhnlich geworden, sagt Truger. In vielen europäischen Ländern sei es üblich, Ehegatten grundsätzlich individuell zu besteuern. In Deutschland widmet sich das Kabinett zumindest einer Minireform. Setzt sich das neue Verfahren durch, könnte es für das Jahr 2009 erstmals angewendet werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.