Russland: Oppositionelle bleibt in Psychiatrie

Die Oppositionelle Larissa Arap wird nach einer abgewiesenen Berufungsklage weiter zwangbehandelt. Ihre Familie will erneut dagegen vorgehen.

BERLIN taz Die russische Oppositionelle Larissa Arap wird weiter in einer psychiatrischen Klinik im Gebiet Murmansk zwangsbehandelt. Dies entschied das zuständige Gericht in einer Berufungsverhandlung am vergangenen Freitag. Ein Abbruch der Behandlung, so das Gericht, bedeute eine irreversible Beeinträchtigung ihrer Gesundheit. Araps Familie will gegen die Entscheidung erneut in die Berufung gehen.

Larissa Arap ist aktives Mitglied der oppositionellen "Bürgerfront" des früheren Schachweltmeisters Garri Kasparow. Bereits 2004 hatte sie in der Psychiatrie gesessen, nachdem sie finanziellen Missständen in ihrer Wohn-Kooperative nachgegangen war. Stein des Anstoßes dieses Mal: In einem jüngst erschienenen Interview berichtete sie von Elektroschocks und anderen Formen von an Folter grenzender Gewalt in der Psychiatrie.

Anfang Juli wurde Larissa Arap, die sich in der Klinik für ihren Führerschein ein medizinisches Dokument hatte abholen wollen, mit Gewalt festgehalten. Die Zwangseinweisung begründete die Klinik damit, dass Arap eigen- und fremdgefährdend sei. Aus Protest gegen ihre Einlieferung war Arap in den letzten Wochen zweimal in einen Hungerstreik getreten.

Gleichzeitig hatte ihr Anwalt gegen die Zwangsbehandlung geklagt. Die Verhandlung über eine Fortdauer der Zwangsbehandlung war auf vergangenen Freitag um 11 Uhr in den Räumen der Psychiatrie in Apatity bei Murmansk angesetzt.

Mehrere Stunden zuvor war eine Kommission von Ärzten und Psychiatern unter der Leitung von Juri Sawenko, dem Präsidenten der Vereinigung Unabhängiger Psychiater, aus Moskau in der Klinik eingetroffen. Die Kommission sollte sich im Auftrag des russischen Menschenrechtsbeauftragten Wladimir Lukin selbst ein Bild von Larissa Arap machen. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass Larissa Arap an einer stressbedingten nervlich-psychischen Störung leide. Eine zwangsweise Einweisung in die Psychiatrie sei jedoch zu keinem Zeitpunkt erforderlich gewesen.

Bei der Verhandlung appellierte der Moskauer Facharzt für Psychiatrie, Wladimir Prokudin, im Namen der Kommission an das Gericht, Arap zu entlassen. Von einer Eigen- oder Fremdgefährdung könne nicht die Rede sein, eine Zwangsbehandlung sei zu keinem Zeitpunkt angeraten gewesen.

Dem hielt eine Klinikvertreterin entgegen, dass Arap sich bei der Aufnahme aggressiv verhalten, "kranke Ideen" geäußert und die Einnahme von Medikamenten mit der Begründung verweigert habe, man wolle sie vergiften. Igor Bulanzew, stellvertretender Chefarzt der psychiatrischen Abteilung des Bezirkskrankenhauses von Murmansk, berichtete von einer schweren psychischen Störung. So leide die Aktivistin der Bürgerfront an gestörter Realitätswahrnehmung. Sollte Arap entlassen werden, sei davon auszugehen, dass sie die verschriebenen Medikamente nicht mehr einnehmen werde. Arap, die ebenfalls vor Gericht gehört wurde, erklärte, dass es ein Verbrechen sei, sie in der Klinik festzuhalten.

Trotz der jüngsten Gerichtsentscheidung gibt es Hoffnung für Larissa Arap: Denn darin findet sich nichts mehr von Eigen- und Fremdgefährdung der "Patientin". Die psychiatrische Zwangsbehandlung wird nur noch damit begründet, dass ein Klinikaufenthalt eine regelmäßige Medikamenteneinnahme sicherstellen könne. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass schon in den nächsten Tagen ein Weg gefunden wird, wie die Klinik "die Patientin" ohne Gesichtsverlust für beide Seiten entlassen kann.

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