Türkei: Gül nimmt einen neuen Anlauf

Die Regierungspartei AKP nominiert den Außenminister zum zweiten Mal als Kandidaten für die Präsidentenwahlen. Die Frage ist, wie das Militär reagieren wird.

Gül will von seiner Kandidatur nicht lassen Bild: dpa

ISTANBUL taz Abdullah Gül, amtierender Außenminister und stellvertretender Vorsitzender der AKP, wird erneut für das Amt des türkischen Staatspräsidenten kandidieren. Am späten Montagabend beendete der Parteivorstand der AKP tagelange Spekulationen um ihren Präsidentschaftskandidaten und bestätigte die Nominierung Güls. Abdullah Gül, der aus dem politischen Islam kommt und dessen Frau einen Turban, dass strenge Kopftuch der frommen Muslimin, trägt, wird von der säkularen Opposition und dem Militär als Staatspräsident strikt abgelehnt.

Seine erste Kandidatur für das Präsidentenamt im April hatte zu einer Interventionsdrohung des Militärs und einer Blockade der Präsidentenwahl geführt, was dann vorgezogene Parlamentswahlen am 22. Juli zur Folge hatte. Nachdem die AKP die Präsidentschaftswahlen mit 47 Prozent eindrucksvoll gewonnen hatte, kündigte Abdullah Gül bereits an, dass er angesichts dieses Wahlsieges seine Anhänger nicht enttäuschen könne und bei seiner Kandidatur bleiben werde. Seitdem war tagelang darüber spekuliert worden, dass Parteichef und Ministerpräsident Tayyip Erdogan Gül angeblich drängen würde, auf eine Kandidatur zu verzichten, damit die AKP einen Kompromisskandidaten nominieren könnte. Sollte Erdogan das tatsächlich versucht haben, ist er jedenfalls bei seinem Parteifreund Gül nicht durchgedrungen. Gül verzichtete nicht, und der Parteivorstand schaffte jetzt Klarheit.

Gül traf sich gestern als Erstes mit verschiedenen Oppositionsparteien und konnte danach erfreut mitteilen, dass die rechtsradikale MHP dabei bleibt, die Wahl nicht zu boykottieren. Gül kann deshalb davon ausgehen, dass das notwendige Quorum von Abgeordneten für die Wahl anwesend sein wird und er im dritten Wahlgang, wenn eine einfache Mehrheit ausreicht, auch gewählt werden wird.

Bleibt die große Frage nach dem Militär. Wird es eine Wahl Abdullah Güls zum Staatspräsidenten dieses Mal widerspruchslos hinnehmen? Hürriyet, die größte türkische Tageszeitung, brachte just am Montag, dem Tag der entscheidenden Sitzungen der Führungsgremien der AKP, ein großes Interview mit dem früheren Generalstabschef Hilmi Özkök. Özkök ist ein ausgesprochen liberaler und demokratisch gesinnter Militär, der in seiner Zeit als Generalstabschef mit Ministerpräsident Tayyip Erdogan erfolgreich zusammengearbeitet und dafür gesorgt hat, dass das Militär eine neuen Zypern- und Kurdenpolitik mitgetragen hat.

In dem Gespräch warnte Özkök die AKP ausdrücklich davor, auf Gül als Präsidentschaftskandidaten zu bestehen. "Der Staatspräsident", so Özkök, "repräsentiert die gesamte Türkei in der Welt. Es ist nicht richtig, diesen Posten so polarisierend zu besetzen. Wir brauchen einen Kompromiss."

Der amtierende Generalstabschef Yasar Büyükanit, ein wesentlich konfrontativerer Typ als Özkök, hat nach dem Sieg der AKP bei der Parlamentswahl auf die Frage, ob er jetzt immer noch gegen Gül als Staatspräsident sei, geantwortet, das Militär würde nicht von einem auf den anderen Tag seine Meinung ändern.

Nach der Entscheidung der AKP liegt der Ball nun nicht nur beim Parlament, sondern auch im Hauptquartier der Armee. Am kommenden Montag soll der erste Wahlgang stattfinden. Erreicht Abdullah Gül erwartungsgemäß in den ersten beiden Wahlgängen keine Zweidrittelmehrheit, ist der dritte und entscheidende Wahlgang für den 28. August vorgesehen. Spätestens dann wird das Militär wohl reagieren.

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