Afghanistan: Entführer "keine bösen Leute"

Die Polizei in Kabul sucht nach der entführten Deutschen. In Berlin wird derweil über eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes diskutiert.

Großfahndung in Kabul: Café, aus dem die Deutsche entführt wurde Bild: dpa

Der Krisenstab des Auswärtigen Amtes muss sich seit dem Wochenende für die Befreiung einer weiteren deutschen Geisel einsetzen: Am Samstag wurde eine 31-jährige Frau aus Süddeutschland in Kabul entführt. Sie ist als Büroleiterin der Hilfsorganisation Ora seit einem Jahr in der afghanischen Hauptstadt tätig.

Gegen 13 Uhr Ortszeit hätten Bewaffnete die Frau aus einem Schnellrestaurant in Kabul verschleppt, teilte das afghanische Innenministerium mit. Der Ehemann der Entführten, der ebenfalls für "Ora" arbeitet, sei dabei gewesen. Ein Augenzeuge berichtete, der Mann habe aufgeregt "Polizei, Polizei" geschrien und dabei mit seinem Handy telefoniert.

Ein afghanischer Geheimdienstmitarbeiter berichtete, die Bewaffneten hätten vor dem Restaurant angehalten, ein Mann sei ausgestiegen und habe eine Pizza bestellt. Zwei weitere Männer hätten vor dem Lokal gewartet, ein vierter sei in dem Wagen sitzen geblieben. Dann habe der Bewaffnete eine Pistole gezogen, sei zu dem Tisch mit der Frau gegangen und habe sie mitgenommen.

Polizisten, die alarmiert worden waren, entdeckten das schnell fahrende Fluchtfahrzeug und eröffneten das Feuer. Sie verfehlten den Toyota aber und trafen stattdessen ein Taxi, dessen Fahrer getötet wurde.

Die Taliban stecken diesmal offenbar nicht hinter der Entführung. Dies geht aus einem Video hervor, das am Sonntag der private afghanische Fernsehsender Tolo TV ausstrahlte. Darin sagte die Deutsche, ihr gehe es gut. Einer der Entführer trat vermummt auf und erklärte, die Geiselnehmer gehörten nicht den Taliban an. Seine Gruppierung fordere die Freilassung ihrer Angehörigen aus afghanischer Haft.

Die Geisel bat die Bundesregierung in der verlesenen Botschaft um Hilfe und forderte sie auf, alles für ihre sofortige Freilassung zu unternehmen. Die Frau identifizierte sich auf dem Video durch die Nennung ihres Namens und der Namen von Angehörigen. Ihr Kopf und ihr Oberkörper waren in weißes Tuch gehüllt. Sie hielt zudem ihren Personalausweis in die Kamera. Sie wurde von einem gebrochen Englisch sprechenden Mann aufgefordert, sich auf Englisch und Dari zu äußern. Nach Angaben von "Ora" beherrscht die Entführte die Landessprache Dari. Am Ende des Videos sagte der Mann: "Wir sind keine bösen Leute. Wir sind ein besonderes Netzwerk."

Unterdessen lief gestern in Kabul eine Großfahndung. Die Polizei vermutet, dass die Entführte noch in der Hauptstadt ist. Polizisten durchsuchten Häuser im Westen Kabuls und kontrollierten die Ausfallstraßen. Polizeimajor Schah Agha Noori sagte, seine Leute sprächen verschleierte Frauen in der Landessprache Dari oder Paschtu an, um sicherzugehen, dass es sich nicht um die Deutsche handele. Im Zweifelsfall würden Frauen entgegen den strengen muslimischen Sitten von den männlichen Beamten aufgefordert, ihr Gesicht unter der Burka zu zeigen.

In Berlin ging auch am Wochenende die Debatte über die Zukunft des Afghanistan-Einsatzes weiter. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagte, die Bundesregierung ziehe eine Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents in Afghanistan in Betracht. Der bayerische Nochministerpräsident Edmund Stoiber dagegen meinte, wenn es um eine Aufstockung der Nato-Truppen gehe, seien erst mal andere Nationen gefordert. In der zweiten Oktoberwoche entscheidet der Bundestag über die Verlängerung der Afghanistan-Mandate.

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