Schach: Im Dauerschlaf
Viswanathan Anand gewinnt erneut Schnellschach-WM
MAINZ taz Langsam benötigt Viswanathan Anand einen Anbauschrank: Der Weltranglistenerste gewann am Sonntag zum zehnten Mal die Schnellschach-WM - und bekam dafür von Organisator Hans-Walter Schmitt wieder einmal ein schwarzes Jackett übergestreift. Die Dominanz des Inders konnte auch Lewon Aronjan im Finale nicht brechen. Nach drei Remis verlor der in Berlin lebende Armenier die vierte Partie mit jeweils 20 Minuten Grundbedenkzeit zum 1,5:2,5-Endstand. Es war Anands achter WM-Sieg bei den Chess Classic in Mainz hintereinander.
"Lewon hat einen Titel gewonnen, ich habe einen gewonnen", befand Anand nach dem Endspiel. Allerdings heimste der "Tiger von Madras" den prestigeträchtigeren ein. Drei Tage zuvor hatte sich Aronjan in der Rheingoldhalle in der Verlängerung die Weltmeisterschaft im Chess960 gesichert. Bei dieser Schachvariante wird die Aufstellung der Figuren vor jeder Begegnung unter 960 Möglichkeiten ausgelost.
Bei der Schnellschach-WM wirkte Topfavorit Anand zunächst auch wegen fehlender neuer Eröffnungsideen gehemmt. Weil die wichtigere Weltmeisterschaft in den Turnierpartien (mit zwei Stunden Bedenkzeit pro Spieler für 40 Züge) in drei Wochen in Mexiko-Stadt beginnt, hielt sich Anand zurück. Auf Neuerungen verzichteten beide Seiten. "Mit Weiß drückte Vishy kaum", stellte Aronjan erstaunt fest, dass er mit den schwarzen Steinen nicht in die Verteidigung geriet. Im letzten Vergleich überschätzte der Berliner dann seine Möglichkeiten, als er mit Weiß wieder den ersten Zug ausführen durfte. "Ich stand etwas besser und glaubte, ein leichtes Remis erzwingen zu können. Dann fiel ich jedoch in einen Dauerschlaf", so Aronjan. Anand übernahm die Regie, eroberte einen Bauern und wandelte diesen auf der gegnerischen Grundreihe zur schwarzen Dame um. Die bescherte ihm rasch das Siegerjackett.
HARTMUT METZ
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