Kommentar: Verantwortung zur Markenpflege

Von der Rolle eines Kontrolleurs des Wirtschaftswachstums fühlen sich viele Kommunisten heute überfordert. Dabei gilt es, das Ansehen der Marke "Made in China" zu retten.

Nichts weniger als das Ansehen der Marke "Made in China" steht auf dem Spiel, seit sich die Klagen über Mängel bei Kinderspielzeug und Kinderbekleidung mehren. Es sieht so aus, als hätte auch Chinas Regierung dies langsam begriffen. Plötzlich widerspricht Peking der Kritik westlicher Verbraucherschützer nicht mehr, sondern verspricht bessere Kontrollen. Und mit Vizepremier Wu Yi, die vor vier Jahren die Bekämpfung der Sars-Epidemie erfolgreich managte, bringt die KP nun ihre angesehenste Krisenmanagerin als neue Verantwortliche für Produktsicherheit ins Spiel.

Ob die Maßnahmen reichen, ist dennoch fraglich. China produziert heute drei Viertel allen Spielzeugs auf der Welt. In westlichen Kaufregalen liegen mehr als 30.000 chinesische Spielzeuge, die in China von über 10.000 Unternehmen hergestellt werden, darunter viele dörfliche Kleinstbetriebe. Eigentlich ein Wunder der Globalisierung: dass es auch den kleinen bäuerlichen Betrieben in China gelingt, ihre Ware bis nach Europa zu schaffen und am Verkauf mitzuverdienen. Doch sind es gerade jene Kleinbetriebe, die von unseren Auflagen für Spielzeug nichts verstehen und deshalb - meist als Zulieferer von Zulieferern - die gefährliche Ware herstellen. Wer eilfertig zum Boykott chinesischen Spielzeugs aufruft, sollte an die sozialen Konsequenzen in China denken. Gleichwohl erfüllen die Aufrufe den guten Zweck, der KP ihre neue Regierungsrolle vor Augen zu halten: Vom Antreiber des Wirtschaftswachstums muss sie sich zu dessen Aufseher und Kontolleur wandeln.

Genau von dieser Rolle fühlen sich viele Kommunisten heute überfordert. Sie klagen über die vielen Industriestandards und Sicherheitsnormen, die sie vom Westen übernehmen sollen. Sie fordern Nachsicht mit ihrem riesigen Entwicklungsland. Doch mit der Verbrauchergeduld ist es auch in China schnell vorbei, wenn bei Toyota oder Volkswagen mal ein defektes Einzelteil entdeckt wird. China wird sich daran gewöhnen - vermutlich sogar schneller, als man denkt. Schließlich sind es gerade die kleinen Unternehmen, die flexibel sind.

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Georg Blume wurde 1963 in Hannover geboren und ist gelernter Zimmermann. Er leistete seinen Zivildienst in einem jüdischen Kinderheim sowie in einem Zentrum für Friedensforschung in Paris. Danach blieb Georg Blume in Frankreich und wurde Korrespondent der taz. 1989 wurde er Tokio-Korrespondent der taz, ab 1992 auch für die Wochenzeitung DIE ZEIT. Von 1997 bis 2009 lebte er in Peking, wo er ebenfalls als Auslandskorrespondent für die ZEIT und die taz schrieb, seit August 2009 ist er für die beiden Zeitungen Korrespondent in Neu-Delhi. Bekannt geworden ist Georg Blume vor allem durch seine Reportagen über Umweltskandale und Menschenrechtsverletzungen in China. Für dieses Engagement erhielt er 2007 den Liberty Award, mit dem im Ausland tätige Journalisten für ihre couragierten Berichterstattungen gewürdigt werden. 2012 wurde er mit dem Medienethik-Award META der Hochschule der Medien in Stuttgart ausgezeichnet. Publikationen: „Chinesische Reise“, Wagenbach, Berlin 1998. „Modell China“, Wagenbach, Berlin 2002. „China ist kein Reich des Bösen“, Körber, Hamburg 2008.

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