Kommentar: Falsche Lehren aus Vietnam

Nicht George W. Bushs geschichtsblinder Vergleich der Lage im Irak mit dem Vietnamkrieg ist so sehr skandalös. Es ist vielmehr die von Kaiserdeutschland geborgte Dolchstoß-Rhetorik.

Die lahme Ente verlässt nicht das sinkende Schiff. US-Präsident George Walker Bush, der sowieso nicht wiedergewählt werden kann, haut vielmehr alle lecken Planken zusammen, um im Irak und vor allem zu Hause die Gegenwinde zu drehen.

Es ist nicht so sehr sein geschichtsblinder Vergleich mit dem Vietnamkrieg, der so skandalös ist. Es ist die von Kaiserdeutschland geborgte "Dolchstoß"-Rhetorik - dass die Heimatfront ihrer an fremden Gestaden kämpfenden Truppe nicht in den Rücken fallen dürfe. Weinerliche Vaterlandsverräter seien für die traumatische Niederlage in Vietnam verantwortlich gewesen, aber eine knallhart opferbereite Militärpolitik könne in Irak noch den Sieg herbeizwingen, so Bush. "Ein freier Irak ist in Reichweite", behauptete er vor den Veteranen in Kansas City. "Wir dürfen jetzt nicht weichen."

Die Veteranen klatschten. Und die Demokraten rudern zurück. Die ohnehin abgeflauten "Abzug jetzt!"-Forderungen der Opposition verebben vollends angesichts der "Fortschritte" in Irak, die auch Demokraten konstatieren. Auch die wollen ja lieber irgendwie gewinnen, im Irak und zu Hause. Diejenigen, die jetzt noch von "Rückzug" reden, meinen wahrscheinlich allerhöchstens die 20.000 Soldaten, die Bush gerade erst aufgestockt hat - gegen den zahnlosen Widerstand der rechnerischen demokratischen Mehrheit im Kongress.

Die amerikanische Umfrage-Demokratie ist in Wahlkampfzeiten stimmungsabhängiger denn je. Die Stimmung ist schlecht - aber nicht so schlecht wie gegen den Vietnamkrieg, als es noch die Wehrpflicht gab und sehr viel mehr Amerikaner starben. Und all die klugen Analysen, die es auch in Washington gibt, wie ein gesichtswahrender Rückzug aus einem falschen Krieg aussehen könnte - sie klingen so unendlich viel komplizierter als die platten Propagandaparolen, die weiterhin Hoffnung machen wollen, die Supermacht werde es doch noch richten.

Es wäre nicht das erste Mal, dass es George Walker Bush gelingt, ein schon verloren geglaubtes Spiel noch zu wenden - und sei er schon auf dem Weg unter die Dusche.

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