Studentenprotest: Haftstrafe für Autobahnblockierer

Marburger Amtsrichter verurteilt Studierende wegen Straßenblockade zu Freiheitsstrafen auf Bewährung und geht dabei weit über das vom Staatsanwalt geforderte Strafmaß hinaus

Auch in Frankfurt hatten Studenten eine Autobahn blockiert - hier wurden aber alle Verfahren eingestellt. Bild: dpa

MARBURG taz Spätestens als Amtsrichter Jürgen-Peter Taszis die anwesenden Zuschauer als "einfach strukturierte Menschen" bezeichnet, droht die Verhandlung zu kippen. Wütend stürmt die Angeklagte Lena Behrendes aus dem Gerichtssaal, Zuschauer werfen mit Luftschlangen und pusten Seifenblasen gen Richterpult. Erst als die zahlreich anwesenden Polizisten damit drohen, die Störer zu entfernen, beruhigt sich die Situation wieder und Taszis verkündet das Urteil: Wegen Nötigung und Freiheitsberaubung werden drei Studierende zu Freiheitsstrafen zwischen 4 und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt. Zusätzlich sollen sie je 200 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten - in einer Straßenmeisterei.

Aus Protest gegen die Einführung von Studiengebühren hatten die drei Angeklagten - unter ihnen die damalige Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) der Universität Marburg Lena Behrendes - am 11. Mai 2006 nach einer Demonstration gemeinsam mit 700-800 Studierenden für rund eine Stunde die Stadtautobahn in Marburg blockiert. Während Staatsanwalt Kurt Sippel die Autobahnblockade als "äußerst gefährliche Aktion" bewertete und für Geldstrafen von 70 bis 120 Tagessätzen a 15 Euro wegen Nötigung plädiert, geht Richter Taszis mit den Freiheitsstrafen weit über das geforderte Strafmaß hinaus.

In der rund elfstündigen Hauptverhandlung äußerten sich die als Zeugen geladenen Polizeibeamten widersprüchlich. So erklärten Beamte des Staatsschutzes, die Angeklagten hätten während der Blockade mit der Polizei kooperiert und ihre KommilitonInnen zur Aufgabe der Blockade bewegen können. Der ebenfalls als Zeuge geladene damalige Einsatzleiter hingegen gibt zwar zu: "Wir waren viel zu schwach besetzt, um die Blockade aus eigener Kraft zu räumen", widerspricht jedoch der Darstellung, die Angeklagten hätten die Polizei unterstützt.

Die Verteidigung fordert Freisprüche, schließlich - so Rechtsanwältin Waltraut Verleih - seien "Verkehrsbeeinträchtigungen normal bei Demonstrationen". Taszis hingegen sieht das anders. In seinem Urteilsspruch erklärt er, durch die Blockade sei eine Vielzahl an Autofahrern zu Schaden gekommen. So sei beispielsweise nicht auszuschließen, dass "ein braver Handwerker durch die Straßensperrung einen vorher gebuchten Billigflug nach Mallorca verpasst" habe. Bereits im Vorfeld der Verhandlung war Richter Taszis in die Kritik geraten da er einen vor knapp vier Wochen angesetzten Verhandlungstermin kurzfristig am Verhandlungstag platzen ließ. Die Begründung damals: Er müsse noch "Akten kloppen". Zusätzlich bezeichnete er das Sperren von Autobahnen schon vor dem Beginn des Verfahrens "als Modeerscheinung unter Studenten." Freiheitsstrafen seien deshalb "zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung in Erwägung zu ziehen".

Deshalb glaubt der Angeklagte Max Fuhrmann nicht an ein unbefangenes Urteil: "Unsere Teilnahme am Verfahren war eigentlich irrelevant. Das Ergebnis stand schon vorher fest. Wir werden deshalb Rechtsmittel einlegen."

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