Leichtathletik-WM : Werfen für Wenige

Die TV-Übertragung der Leichtathletik-WM sehen Wenige. Das liegt weniger an Doping-Verdächtigungen, sondern an schlechten Medaillenchancen deutscher Athleten.

Eine Frau wie ein Orkan: Franka Dietzsch beim Diskuswurf Bild: dpa

Wahre Fans stört es ohnehin nicht, ob mit ihnen noch Millionen andere das genießen, was sie schätzen: Leichtathletik, wie sie aktuell aus dem japanischen Osaka angelegentlich der Weltmeisterschaften gezeigt wird. Tatsache ist jedoch, dass diese sogenannte olympische Kernsportart in Deutschland an Popularität eingebüßt hat. Und zwar nicht, weil Laufen, Werfen und Springen nicht mehr attraktiv sein könnten, ebenso wenig, weil diese Disziplin so sehr von Dopingsüchtigen geplagt wird wie der Radsport oder das dem Bodybuilding verwandte Gewichtheben. Sondern weil nur wenige Athleten Medaillenchancen haben. So begründet der Deutsche Leichtathletik-Verband den Verfall der öffentlichen Beachtung.

Zwar hat gestern der außerordentlich sympathisch wirkende Cottbuser Diskuswerfer Robert Harting hinter Gert Kanter aus Estland den zweiten Platz belegt. Er wirkte auch beim Interview mit Gerhard Delling in der ARD auf so hübsche Art wenig medienerfahren, ließ seiner Freundin allen Dank zukommen und schwor, nun mit ihr in die Ferien zu fahren. Aber ein echter Held konnte er nicht sein. Auch nicht die Kugelstoßerin Nadine Kleinert, die am Auftaktwochenende von Osaka jüngst die Bronzemedaille gewinnen konnte - auch sie freundlich vom Wesen, aber einen Hauch von Glamour verströmte sie nicht.

Selbst wenn die absolut wunderbare Franka Dietzsch heute Nachmittag ihre Disziplin, das Diskuswerfen, gewinnen sollte, wäre es um die mediale Inszenierung der Leichtathletik in Deutschland nicht besser bestellt. Im Gefolge der Globalisierung im Sport gewinnen meist die anderen - die mittleren und längeren Strecken gern Afrikaner (aus Kenia, Äthiopien), die Sprints Nordamerikaner und Athleten aus der Karibik, und die krafttechnischen Übungen allermeist Athleten osteuropäischer Herkunft. In Wahrheit ist das Interesse Jugendlicher an Leichtathletik im Vergleich zu den Fünfzigerjahren viel geringer geworden - der Trainingsaufwand ist in jeder Hinsicht, um an die Spitze zu kommen, immens, der Ertrag gering. Tennis (Boris Becker, Steffi Graf, Michael Stich) zerstörte in den Achtzigern den Nimbus der Leichtathletik, der Deutschen in puncto Sport zweitliebste Sportart hinter dem Fußball zu sein. Es fehlte, in der alten Bundesrepublik, an Idolen wie Heide Rosendahl, Ingrid Becker, Klaus Wolfermann, Annegret Richter oder Willi Wühlbeck. Das verschwundene Interesse bedeutet zugleich, dass es an Nachwuchs mangelt und somit an Figuren, die sich irgendwann auch international durchsetzen können. Athleten wie Franka Dietzsch, Nadine Kleinert oder Speerwerferin Steffi Nerius profitieren noch von der in der DDR (meist dopinggestützten) Struktur der Förderung von technisch anspruchsvollen Wurfübungen.

In Schweden hingegen sind die Titelkämpfe, die dort aus Osaka übertragen werden, ziemlich populär - was nicht wunder nimmt, denn das kleine Land hat mehrere Aspiranten für die Goldmedaille. Eine, die 24-jährige Carolina Klüft, hat im Siebenkampf bereits haushoch gesiegt: Resultat einer intensiven Jugendförderung seit 20 Jahren.

Nationale Perspektive

Doch weshalb nur die nationale Perspektive wählen? Könnte man nicht auch SportlerInnen aus anderen Ländern klasse finden? Eingeweihte und Fans tun das ohnehin. Aber: Identifikation mit dunkelhäutigen oder asiatischen Athleten fällt dem Publikum schwer - zumal sie diese äußerlich nur schwer unterscheiden können (wie asiatische Zuschauer nicht auf Anhieb einen türkisch und einen irisch aussehenden Europäer auseinanderhalten können).

ZDF wie ARD strahlen die Show aus Osaka live aus, Eurosport sogar kenntnisreich auch nachts die Vorkämpfe und Qualifikationen. Ihre Quoten sind eher mau; der Sender aus Mainz unterschreitet seinen durchschnittlichen Marktanteil leicht, die ARD bleibt auf seinem eher niederen Niveau; Eurosport ist zufrieden. Wie es anders geht, erkennt man beim Biathlon: Diese Wintersportdisziplin zieht fast so gut wie Formel 1 oder einst Tennis. Der Grund ist nicht, dass die Deutschen dieses Laufen und Schießen in einem so gern haben, sondern, simpler, weil deutsche AthletInnen dort stets um vorderste Ränge mittun. Die Chance jedenfalls, dass sich hierzulande in der Leichtathletik etwas bessern werde, ist mager. Um in den Laufdisziplinen zu bestehen, ohne schon in Vorläufen zu straucheln, braucht es Ausdauer. Die haben Athleten aus armen Ländern, wo am Sport viele Aufstiegschancen hängen, eher. Kein Grund, heute den Wettkampf der Diskuswerferinnen nicht zu genießen. Und Franka Dietzsch zu bewundern. Dass sie nur Kenner schätzen: Na und?

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