Merkel in China: Menschenrecht auf geistiges Eigentum
Kanzlerin Merkel findet am zweiten Tag ihres China-Besuches deutlichere Worte gegenüber Peking: Sie fordert die Einhaltung von Menschenrechten.
Wenn Angela Merkel in China über Menschenrechte redet, dann fällt ihr sofort auch das Recht auf geistiges Eigentum ein. Vor Wissenschaftlern der Pekinger Sozialakademie schaffte die Kanzlerin fast spielerisch diesen rhetorischen Kraftakt. "Das Thema Menschenrechte ist aus unserer Sicht von entscheidender Bedeutung", begann sie ihre erste Grundsatzrede zur deutschen China-Politik vor einem vollbesetzten Audimax, "ich glaube, dass wir gut daran tun, das immer wieder miteinander zu besprechen."
Sogleich folgte dann, welch "großes Problem" der Schutz geistigen Eigentums für die Deutschen sei. Die Kanzlerin bat die Chinesen, sich in die Situation deutscher Autohersteller auf der Automesse in Frankfurt zu versetzen: "Wenn dann plötzlich ein Auto dasteht, das aussieht wie ein Smart, aber keiner ist, sondern eine Kopie, die nicht ganz legal erarbeitet wurde, dann ist das nicht gut", sagte Merkel. Zwar habe China gegen Produktpiraterie rechtliche Schritte vorgenommen, aber ihre Umsetzung lasse noch zu wünschen übrig, mahnte die Kanzlerin.
Auch auf Pekings internationale Verantwortung ging Merkel ein. China verbrauche mehr Rohstoffe und beeinflusse Weltmarktpreise wie früher nicht. Die Welt und die Kräfteverhältnisse veränderten sich. China müsse sich darauf einstellen, Veränderungen mitzugestalten und mehr Verantwortung zu übernehmen - auch im Klimaschutz.
Nachdem die Regierungsgespräche am ersten Tag des Besuchs der deutschen Kanzlerin harmonisch verlaufen waren, hatten die parteizensierten chinesischen Medien außergewöhnlich umfangreich über Merkel berichtet. Die aber verwies gestern stärker auf ihre Differenzen zur KP-Regierung - wohl eher für den Hausgebrauch der Medien in Deutschland.
Außerhalb des offiziellen Programms hatte sich die Kanzlerin zunächst mit vier regimekritischen Journalisten für ein einstündiges Gespräch hinter geschlossenen Türen zusammengesetzt. Zur Runde gehörten Zhao Mu, Chefredakteur der Blog-Plattform von Yahoo, Li Datong, früherer Chefredakteur einer Beilage der Parteizeitung China Youth Daily, He Yunguang, einer der bekanntesten Fotoreporter Chinas, und der Journalistikprofessor Zhang Jiang. Zhang erklärte der Kanzlerin seine Reformvorstellungen für die chinesischen Medien. Seit Jahren fordert er die Verabschiedung eines Mediengesetzes im Volkskongress, das den Verfassungsgrundsatz der Meinungsfreiheit einklagbar macht. Bisher werden die Medien nur durch die Propaganda-Satzung der KP geregelt. Merkel gefielen Zhangs Forderungen gleich so gut, dass sie sie anschließend bei einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Volkskongresses, Wu Bangguo, vortrug.
Das Engagement der Kanzlerin war auch bei einem gemeinsamen Spaziergang mit Chinas Premier Wen Jiabao zu spüren. Gelöst wie selten und ohne Schlips führte Wen seine Amtskollegin durch den Zhongshan-Park in der Nähe des Kaiserpalastes.
Zum Abschluss des Spazierganges sagte Merkel zu Wen: "Schön, dass wir uns endlich mal kennen lernen", und lud den Premier gleich zu einem längeren Besuch nach Deutschland ein. Anschließend verriet Wen vielleicht eines der bestgehüteten Geheimnisse Chinas: Denn noch weiß niemand, ob der bevorstehende 17. Parteitag der KP im Oktober den Premier für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Wen aber antwortete auf Merkels Einladung: "Ich komme." Als hätte er sein Amt bereits sicher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein