Leichtathletik: Schwindende Sprungkraft
Der Kubaner Iván Pedroso wollte es bei der Leichtathletik-WM in Osaka noch einmal wissen, doch jetzt beobachtet der einstige Weltklasseathlet den Weitsprung-Wettbewerb vom Fernsehen aus.
HAMBURG/OSAKA taz Jesús Molina wollte die Entscheidung nicht an die große Glocke hängen. Ohne großes Aufheben strich der Chef der kubanischen Leichtathletik-Abteilung Mitte August den Namen Iván Pedroso von der Meldeliste für die Weltmeisterschaften in Osaka. Dabei hatte Pedroso es beim achten WM-Auftritt allen noch einmal zeigen wollen. Aus und vorbei, denn der Grandseigneur der kubanischen Leichtathletikszene wird kaum wiederkommen. Mit neun WM-Titeln und einem Olympiasieg ist Pedroso nach Hochspringer Javier Sotomayor und 800-Meter-Läuferin Ana Fidelia Quirot die letzte Lichtgestalt der kubanischen Szene.
Rund zehn Jahre, von 1993 bis 2003, zählte der Mann aus Havanna zur Spitze. Und dahin wollte Pedroso auch zurück. Doch in den letzten Jahren sorgten eher die medizinischen Bulletins des Sprungwunders aus Havanna für Schlagzeilen als die sportlichen Leistungen. Immer öfter zwickte es in den muskulösen Oberschenkeln des nur 1,76 Meter großen Athleten. Der war zu Beginn der 90er-Jahre auf der internationalen Bühne erschienen und hatte die US-Stars Carl Lewis und Mike Powell mit seiner enormen Sprungkraft herausgefordert. Auf 8,71 katapultierte sich der 69-Kilogramm-Hüpfer im Frühjahr 1995, und wenige Monate später blinkten 8,96 Meter im italienischen Sestriere auf der Anzeigentafel. Doch der Weltrekord wurde nicht anerkannt, weil ein Kampfrichter sich just vor dem Windmessgerät aufgebaut hatte. Eine Enttäuschung für Pedroso, der damals in Topform war und als Favorit für die Olympischen Spiele von Atlanta galt. Dort landete Pedroso nur unter ferner liefen, statt wie erhofft Carl Lewis den Titel streitig zu machen. Der war damals 35 Jahre alt, und Pedroso wäre nur zu gern im gleichen Alter nach Peking gefahren, um dort groß aufzutrumpfen. Der Traum wird nicht in Erfüllung gehen, denn anders als Lewis, der im Alter große Weiten in den Beinen hatte, ist Pedrosos Schnellkraft am Schwinden. Gerade 7,86 Meter sprang er bei seinem letzten großen Wettkampf, den Panamerikanischen Spielen von Rio de Janeiro im Juli. Zu wenig für die kubanischen Sportfunktionäre, zumal mit Luis Felipe Melís, Ibrahím Camjo und Wilfredo Martinz gleich drei Athleten besser springen als der Altmeister.
Doch mit der Weitsprungelite können auch sie nicht mithalten, weshalb der Weitsprung ohne kubanische Beteiligung stattfinden wird. Favorit ist nach der verletzungsbedingten Absage des 8,66-Meter-Mannes Louis Tsatoumas aus Griechenland Irving Saladino aus Panama. Mehrfach sprang er in diesem Jahr über die 8,50-Meter-Marke, er zählt gemeinsam mit James Beckford aus Jamaika und Dwight Philipps aus den USA zu den Favoriten im Finale am Donnerstag (ab 13.40 Uhr). Pedroso muss sich den Wettkampf hingegen in Havanna im Fernsehen anschauen.
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