Kommentar: Lektion aus Londons Untergrund

In Großbritannien - einst Wiege der Privatisierung von Staatseigentum - zeigt sich nun die Kehrseite der Medaille: Die Betreiber kassieren die Gewinne, Verluste werden vergesellschaftet.

Wer Privatisierungen propagiert, hat sich in der Vergangenheit mit Vorliebe auf Großbritannien berufen. Mit dem Verkauf der staatlichen Eisenbahn sowie der Elektrizitäts- und Wasserwerke war Maggie Thatcher in den 80er-Jahren Vorreiterin der Idee, dass Privatunternehmen grundsätzlich besser wirtschaften können als öffentliche Träger. Unter dem etwas freundlicher klingenden Titel "Public Private Partnership" setzte auch Tony Blair diesen Kurs fort und übertrug den Betrieb von Krankenhäusern, Bildungs- und Verkehrseinrichtungen an private Unternehmen.

Von England aus wurde diese Idee in die ganze Welt exportiert. Auch in Deutschland trennten sich Bund, Länder und Kommunen von großen Teilen ihres Besitzes, teils durch direkten Verkauf, teils durch öffentlich-private Partnerschaften. Bis heute werben Unternehmensberatungen wie Ernst & Young offensiv für Privatisierungen - die sie dann gegen ordentliche Honorare selbst organisieren.

Auf Großbritannien verweisen sie dabei allerdings nicht mehr so gern, denn dort zeigt sich mittlerweile die Kehrseite der Medaille in aller Deutlichkeit. Gut funktioniert haben Privatisierungen nämlich nur dort, wo Wettbewerb möglich ist - etwa bei Telekommunikation oder Flugverkehr. Überall dort, wo es ein natürliches Monopol gibt, sind sie jedoch grandios gescheitert. Ob beim Trinkwassernetz, der Britischen Bahn oder der Londoner U-Bahn - die privaten Betreiber haben stets Gewinne entnommen, Service reduziert und Investitionen aufgeschoben. Am Ende musste der Staat, wie zuletzt bei der U-Bahn, schließlich doch wieder einspringen, um die unverzichtbare Infrastruktur überhaupt zu erhalten.

Von diesen Erfahrungen berichten die smarten "Berater" weniger gern. Schließlich gibt es in Deutschland noch viel zu privatisieren. Mit der Bahn steht in Deutschland gerade ein besonders dicker Brocken zum Verkauf. Und auch Stadtwerke und andere kommunale Unternehmen sind noch im Angebot. Die Politik sollte genau nach London schauen - schließlich muss man nicht jeden Fehler selbst machen.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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