Irak-Besuch: Bush trotzt Kongress-Kritik
US-Präsident Bush taucht überraschend in Bagdad auf - einen Tag bevor ein Kongressbericht zur Lage im Irak vorgelegt wird, der mangelnde Fortschritte beklagt.
US-Präsident George W. Bush ist gestern überraschend in den Irak geflogen. Wie schon 2003 und 2006 nutzte Bush den amerikanischen Labor Day (Tag der Arbeit), um seine Solidarität mit den US-Truppen zu zeigen. In Begleitung Bushs befinden sich auch Außenministerin Condoleezza Rice und Sicherheitsberater Steven Hadley.
Das Weiße Haus ist seit Tagen bemüht, die Bedeutung des Berichts zur Lage im Irak, den die Kontrollbehörde des US-Kongresses (GAO) am heutigen Dienstag vorlegt, herunterzuspielen. Denn im Gegensatz zur Regierung, die häufig "Erfolge" ihrer neuen Irak-Strategie rühmt, werden darin laut Vorberichten nur wenig Fortschritte festgestellt.
So habe die Regierung in Bagdad lediglich 3 der 18 vom US-Kongress geforderten militärischen und politischen Ziele erfüllt, zitierte die Washington Post vorab. Ungeachtet der US-Truppen-Aufstockung sei die Zahl der Gewalttaten weiterhin hoch. Zudem seien wichtige Gesetzesvorhaben nicht beschlossen worden.
Mit dem Boykott von 15 der 37 Kabinettsmitglieder habe Iraks Führung jeden Anspruch verloren, eine Regierung der nationalen Einheit zu sein. Unklar sei auch, was Bagdad mit einem Wiederaufbaufonds in Höhe von zehn Milliarden Dollar mache. Und im Irak seien rund 200.000 Sturmgewehre und Pistolen verschwunden, die die USA der irakischen Polizei und Armee zur Verfügung gestellt hatten. Auch habe die irakische Regierung nur bescheidene Sicherheitsziele für Bagdad erreicht, aber keinen der wichtigen politischen Punkte wie die Verabschiedung eines Gesetzes zur Verteilung der Öleinnahmen. Zugleich gebe es zwar weniger Angriffe auf US-Einheiten, doch die Zahl der Anschläge auf irakische Zivilisten sei unvermindert hoch.
So kommt der Kongressbericht, anders als die Regierung und einige unabhängige Experten, zu dem Schluss, die Lage der Bevölkerung habe sich kaum verbessert. Als Fehlschlag stuft die Kongressbehörde auch die Entwaffnung von Milizen sowie die Modernisierung der irakischen Armee ein und bewertet die Zuverlässigkeit irakischer Sicherheitskräfte deutlich kritischer als die US-Regierung. Zu den drei abgearbeiteten Punkten zählt der GAO-Bericht die Errichtung von Militärposten in Bagdad, die Schaffung von lokalen Bürgerkomitees sowie der Minderheitenschutz im irakischen Parlament.
Präsident Bush hatte bereits im Juli erklärt, 8 Punkte der 18 Forderungen des US-Kongresses seien erfüllt, bei zweien gebe es Fortschritte. Regierungssprecher Gordon Johndroe sagte nun, der Kongress habe lediglich schematisch bewertet, ob die "Prüfsteine" erfüllt oder nicht erfüllt seien. Die Regierung bewerte dagegen auch Teilerfolge. Wichtig sei, den Bericht des US-Oberkommandierenden in Irak, General David H. Petraeus, und des US-Botschafters in Bagdad, Ryan C. Crocker, am 10. und 11. September in Washington abzuwarten.
Präsident Bush schalt die Gesetzgeber am Wochenende, sie hätten den Bericht der "Männer an der Front" verlangt, nun sollten sie nicht voreilige Schlüsse ziehen und einen Strategiewechsel verlangen, bevor sie ihn gehört hätten. "In Irak steht zu viel auf dem Spiel, und die Konsequenzen sind zu gravierend für unsere Sicherheit zu Hause, um der Politik zu erlauben, die Mission unserer Männer und Frauen in Uniform zu gefährden", sagte Bush.
Die Sicht der Bevölkerung hat sich allerdings tatsächlich geändert: So sind derzeit nach einer Umfrage des Instituts UPI/Zogby 54 Prozent der US-Bürger davon überzeugt, dass der Irakkrieg noch nicht verloren ist. Zwar meinten 49 Prozent der rund 6.700 befragten Amerikaner, dass die Truppenaufstockung nicht den erhofften Erfolg gebracht habe; doch 45 Prozent der Befragten halten diese Strategie für erfolgversprechend - ein Erfolg der PR-Strategen im Weißen Haus.
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