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KnastschmuggelFreispruch zweiter Klasse

Justizsenatorin von der Aue erhält Rückendeckung vom Senat. Sie habe die "Dinge angepackt". Unterschwellig ist aber weiter Kritik an ihrem Verhalten zu hören. Polizei: Nur Hasch im Knast.

Darf bleiben: Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) Bild: DPA

Der rot-rote Senat hat Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) volle Rückendeckung gegeben. Von der Aue habe überzeugend dargestellt, was sie unternommen habe, um die "unhaltbaren Zustände" in der Jugendstrafanstalt Plötzensee abzustellen, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Dienstag im Anschluss an die Senatssitzung. Sie habe das "volle Vertrauen des Senats". Von der Aue sei "geeignet und in der Lage, die Dinge anzupacken". Das habe sie schon bei der Aufarbeitung des Medikamentenskandals im Strafvollzug gezeigt.

Aus Senatskreisen ist zu hören, dass es in der Sitzung nach von der Aues Bericht nur eine Nachfrage und keine Diskussion gab - beim wichtigsten Thema der vergangenen Tage herrschte unter den SenatorInnen also nüchternes Schweigen. Dies kann man durchaus als Zeichen großen Unmuts deuten. Auch bei Wowereits Verteidigung schimmerte Ärger durch: Der Vorgang sei "sicherlich diskussionswürdig", räumte er ein. Gleichzeitig wies er aber daraufhin, dass kein Gefängnis drogenfrei sei.

Seit dem Fernsehbericht vom Donnerstag über einen schwunghaften Handel mit Drogen und Handys im Jugendknast ist die Justizsenatorin eine Getriebene der Medien. In dem Film war unter anderem zu sehen, wie Männer des Nachts ein schuhkartongroßes Paket über die Mauer des Jugendknasts schmissen. "S-aue-Stall Justiz. Ausmisten, Wowi", schlagzeilte etwa der Kurier. Aber von der Aue blieb auch am Dienstag dabei, dass sie sich kein Versagen vorzuwerfen habe. Im März - als die Wurfsendungen über den Knast deutlich zunahmen -, habe sie die Hofposten im Knast auf sechs Mann verstärkt. Diese hätten im Hof aber vor allem Handys aufgesammelt. Außerdem habe sie rund 100 neue Fenstergitter geordert, die keine Pendelaktionen mehr ermöglichen. Was die Drogenfunde angeht, stellte die Senatorin klar, dass es sich dabei ausschließlich um Haschisch und Marihuana und in einem Fall um Extasy handelte, in keinem Fall aber um harte Drogen.

Die Klarstellung, dass mitnichten kartonweise Heroin über die Mauer gehievt worden ist, war überfällig. Die Gesamtmenge des in diesem Jahr beschlagnahmten Haschisch schätzte sie auf unter ein Pfund. Laut Polizeipräsident Dieter Glietsch sind bei seiner Behörde in den ersten acht Monaten dieses Jahres 82 Strafanzeigen aus der Jugendstrafanstalt wegen Drogenfunden eingegangen. Eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr, wo insgesamt 80 Anzeigen eingingen. Was die Drogen angeht, handele es sich fast durchweg um Haschisch und Marihuana in kleinen Einzelmengen, bestätigte Glietsch.

Aber weder diese Antwort noch ihre Erklärung, warum sie den Überwurf einer Leiter nicht öffentlich bekannt gemacht habe, stellten die anwesenden Journalisten zufrieden. Von der Aues Äußerungen wurden mit unwirschen Murren und Kopfschütteln quittiert. Es habe nie eine Ausbruchsgefahr bestanden, sagte von der Aue. Sie habe keine Nachahmer animieren wollen.

Aus Kreisen der Linkspartei verlautete, dass von der Aue entscheidende Fakten viel zu spät kommuniziert habe. Das ändere aber nichts daran, dass von der Aue dort, wo Missstände offenbar würden, durchgreife.

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