Antisemitismus-Kommentar: Null Toleranz

Nach dem Übergriff auf einen Rabbiner in Frankfurt ist die Förderung und Stärkung eines moderaten und modernen Islam nötiger denn je.

Vor Wochen Mügeln, dort waren Inder das Ziel, dann die gerade noch gefassten homegrown Terroristen, vorgestern Frankfurt am Main, da traf es einen Rabbiner. Politisch motivierte Straftaten ändern ihr Gesicht - an die Stelle von Meinungsdelikten tritt körperliche Gewalt, Gewalttaten, die sich in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen ereignen können. Nun hat es die sich ihrer multikulturellen Toleranz rühmende Stadt Frankfurt getroffen, das Opfer war ein Jude, der Täter vermutlich eine Person mit "Migrationshintergrund". Angesichts dessen liegt die Frage nahe, ob nun französische Zustände drohen, ob die Ausläufer des Nahostkonflikts oder des Kriegs zwischen den Taliban und den westlichen Mächten Deutschland erreicht haben und man sich dessen durch Abschottung und Rückzug erwehren kann.

Beides, der Rückzug aus Afghanistan, wie ihn die Linkspartei einklagt, beziehungsweise die Abschottung, wie sie NPD oder bürgerliche Agitatoren wie Ralph Giordano oder Udo Ulfkotte fordern, sind hilflose Reflexe. Zu weit ist die Globalisierung fortgeschritten, zu transparent Grenzen und Kulturen, zu prekär die Lebenslagen vieler Immigranten, aber auch ethnischer Deutscher, als dass schlichte Notbremsen gezogen werden könnten.

Das derzeit Notwendige ist - neben den erforderlichen Techniken polizeilicher Gefahrenabwehr - längst bekannt: Die Lage der neuen underclass und ihres Nachwuchses ist durch Erziehung und Arbeitsmarktentwicklung bis zu ihrer Aufhebung zu verbessern, die Befindlichkeit entfremdeter Mittelschichtjünglinge durch eine radikal intensivierte demokratische Bildungsoffensive so weit wie möglich zu beeinflussen. Dem Schreckgespenst eines gewalttätigen Islamismus aber lässt sich nur durch die Förderung und Stärkung eines moderaten und modernen Islam begegnen - bis hin zum hoffentlich bald eingerichteten islamischen Religionsunterricht in allen Bundesländern.

Dem Neonationalsozialismus ist entschlossen der Kampf anzusagen: Es muss sich bis in die letzten Dörfer und die letzten Straßen der großen Städte herumsprechen, dass rassistische Gewalttäter nicht unsere Jungs sind, und Fremdenfeindlichkeit nicht, wie etwa Peter Gauweiler meint, eine respektable Haltung darstellt. Wir anderen hingegen, wir alle sollten mit den hehren Schlagworten der Zivilcourage Ernst machen: in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Kneipen und am Arbeitsplatz. Allem Hohn gegenüber der political correctness zum Trotz: Rassistischen, antisemitischen und sexistischen Äußerungen ist sofort ins Wort zu fallen, bei nur geringfügigen Pöbeleien ist sofort einzuschreiten, verängstigten Personen ist sofort zu Hilfe zu kommen. Null Toleranz.

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1947 in der Schweiz geboren, seit 1952 in Frankfurt/Main. Studium der Philosophie und Pädagogik in Jerusalem und Frankfurt/Main. Nach akademischen Lehr- und Wanderjahren von 2000 bis März 2013 Professor für Theorien der Bildung und Erziehung in Frankfurt/Main. Dort von 2000 bis 2005 Direktor des Fritz Bauer Instituts – Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte des Holocaust. Forschung und Publikationen zu moralischer Sozialisation, Bildungsphilosophie sowie jüdischer Kultur- und Religionsphilosophie. Zuletzt Kritik des Zionismus, Berlin 2006, Sigmund Freud. Der Denker des 20. Jahrhunderts, Weinheim 2006 sowie Kurze Geschichte: Judentum, Berlin 2009, sowie Entstehung des Christentums, Berlin 2010.Darüber hinaus ist er Mitherausgeber der „Blätter für deutsche und internationale Politik.“

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