Polen-Kommentar: Zu früh zum Aufatmen

Nach Auflösung des polnischen Parlaments hat der Wahlkampf begonnen: Der Gewinner könnte wieder Kacynski heißen.

Kaum hat sich das polnische Parlament aufgelöst, hat auch schon der Wahlkampf begonnen. Zum Auftakt griff Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski wieder einmal tief in die historische Mottenkiste, als er bei einer Rede in Posen an einen polnischen Sieg über deutsche Ordensritter vor 600 Jahren erinnerte. Doch glaubt man den Umfragen, dann werden er und seine national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) aus den Neuwahlen in sechs Wochen wieder als Sieger hervorgehen.

Zwar wird es wohl kaum zu einer Neuauflage der bisherigen Koalition kommen: Die rechtsradikale Liga der polnischen Familien und die populistische Bauernpartei Samoobrona haben ihren Ruf in den letzten zwei Jahren gründlich ruiniert. Nach Korruptions- und Sexskandalen sowie peinlichen Auftritten im Ausland wollen ihnen nur noch zwei Prozent der polnischen Wähler ihre Stimme geben.

Trotzdem könnte die nationalkonservative PiS der Kaczynskis auch die nächste Regierung Polens stellen, ihr Potenzial liegt bei einem Drittel der Stimmen. Dann könnte die Hexenjagd auf "Lumpenliberale" und "große Schädlinge" weitergehen, wie Kaczynski die beiden Intellektuellen Adam Michnik und Bronislaw Geremek nennt. Und vor Millionen Fernsehzuschauern könnten dann weitere Prominente verhaftet werden, die angeblich in Machenschaften verstrickt sein sollen.

Das Problem ist: Einem großen Teil der polnischen Wähler gefällt diese Politik. Es sind die Verlierer der Wirtschaftsreformen in einem Land, in dem die Arbeitslosigkeit bis vor kurzem noch bei 20 Prozent lag. Rund die Hälfte der Polen lebt knapp an der Armutsgrenze, und auch wenn die Gerechtigkeitspartei ihnen keine Arbeit verschaffen kann, so vermittelt sie ihnen doch das Gefühl, jetzt endlich in einem "besseren Polen" zu leben, in dem mit den alten Kommunisten, den reichen Bonzen und sogar den "moralisch verdorbenen Elementen" abgerechnet wird. Auch die nationale Karte sticht. "Hart" ist das Schlüsselwort: Kaczynski ist "hart" gegenüber den Deutschen und den Russen, "hart" in der Europäischen Union.

Gewonnen haben die Kaczynskis die letzten Wahlen, weil viele Stimmberechtigte zu Hause geblieben ist. Sollte es der liberalen Bürgerplattform und den Linksdemokraten gelingen, dieses Mal ihre Wähler zu mobilisieren, könnten sie das Blatt noch wenden. Eine neue Regierung hätte gewaltige Aufgaben vor sich: das Reformprogramm anzukurbeln, die demokratische Gewaltenteilung wiederherzustellen, der Justiz ihre Unabhängigkeit zurückzugeben. Und, nicht zuletzt: den Ruf Polens als ernstzunehmenden Staat in Europa wiederherstellen. Erst dann könnte Polen, könnte ganz Europa aufatmen.

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