Spiel mir die Collage vom Tod

FREIE THEATERSZENE Das Ensemble „3%XTRA“ unterstreicht mit der Eigenproduktion „schöner sterben“ die gestiegene Aktivität der freien Szene in Bremen

„Schöner sterben hat vor allem mit schöner leben zu tun“

VON JENS LALOIRE

In den vergangenen zwei, drei Jahren ist die freie Theaterszene in Bremen nach und nach ein wenig präsenter, lebendiger und vielfältiger geworden – insbesondere in den letzten Monaten hat sie mit diversen Eigenproduktionen verstärkt Fahrt aufgenommen.

Für die neue Dynamik in der Bremer Off-Szene lassen sich zwei Hauptindikatoren ausmachen: Da sind zum einen die Impulse, die von dem 2008 gegründeten „Alsomirschmeckts!-Theater“ (AMS) ausgehen, das als kollektives Netzwerk freie Künstler verschiedener Sparten zusammenbringt, eigene Produktionen inszeniert und Festivals mitgestaltet. Und da ist zum anderen die Theaterwerkstatt des Kulturzentrums Schlachthof, die sich unter der Leitung von Tobias Pflug seit Dezember 2009 zu einem zentralen Ausgangs- und Sammelpunkt vieler freier Theaterschaffender entwickelt hat.

Im Januar feierte eine weitere Produktion Premiere im Schlachthof. Das freie Ensemble 3%XTRA hat in Kooperation mit der Theaterwerkstatt die Eigenproduktion „schöner sterben“ auf die Bühne gebracht. Zur Gruppe 3%XTRA gehören die Schauspielerin Andrea zum Felde, der Musiker und Komponist Thorsten zum Felde sowie der Theatermacher Silvan Stephan, der auch zu den Mitbegründern des AMS gehört. Bei der aktuellen Produktion hat Thorsten zum Felde Regie geführt, während die anderen beiden gemeinsam mit der Darstellerin Dorothea Dentler auf der Bühne agieren.

Angeregt zu dem Projekt „schöner sterben“ habe sie ein Gespräch, das ihre Eltern mit einem Bestatter geführt hätten, verrät Andrea zum Felde. Das habe sie zuerst irritiert, doch als die Eltern ihr Details erzählten, habe das nicht nur interessant, sondern teilweise auch amüsant geklungen. Der Anstoß war gegeben, denn die Macher von 3%XTRA suchen sich immer Themen, „die uns persönlich beschäftigen und an denen wir uns abarbeiten müssen“, sagt Thorsten zum Felde. Bei der Frage nach dem Sterben sei anfangs allerdings sehr viel Respekt vor der Schwere dabei gewesen.

Eine gewisse Sorge vor zu viel Schwere merkt man der Inszenierung tatsächlich an, denn auf der Bühne geht es meist heiter, manchmal fast ein wenig überdreht zu. Die schwermütigen oder gar düsteren Momente sind die Ausnahme, stattdessen gibt es viele Szenen zu sehen, die sich mit verschiedenen Lebensentwürfen oder der Überwindung von Lebensängsten auseinandersetzen. Entsprechend sagt Thorsten zum Felde: „Schöner sterben hat vor allem mit schöner leben zu tun.“

Der Tod spielt trotzdem eine zentrale Rolle: sei es in einem Zwiegespräch mit Verstorbenen, im Ausmalen eines Lebens nach dem Tod („Jeden Tag Kaffeekränzchen“) oder während einer Wutrede an Gott. Die Inszenierung arbeitet dabei weniger mit klassischem Schauspiel, sondern viel mit Performance-Elementen, Tanz, Video- und Musikeinspielungen.

Das Material ist vielfältig – neben aus der Improvisation entstandenen Dialogen umfasst es literarische Texte wie das Grimm-Märchen „Die Lebenszeit“, Textfragmente aus Filmen wie „Into the wild“ oder O-Töne, die man zuvor in Gesprächen im Bekanntenkreis gesammelt hat.

So ist eine humorvolle Collage entstanden, bei der die Sorge vor zu viel Schwere hie und da vielleicht ein wenig zu groß war. Ein paar intensivere Momente mit ein bisschen mehr Raum für Stille und Tiefe, die nicht sogleich wieder gebrochen werden, hätten dem Ganzen gutgetan.

Dennoch ist „schöner sterben“ eine größtenteils gelungene Produktion. Insbesondere die zwischendurch von einem Fuchs über Kamera und Mikro eingesprochenen O-Töne beleben das Bühnengeschehen mit frischen Facetten.

Berührend wird es, wenn authentische Gefühle zugelassen werden. So sagt eine Darstellerin im Hinblick auf das Sterben, sie habe Angst, „nicht fertig geworden zu sein mit dem Leben“. Diese Angst wendet sie zu dem Entschluss, jeden Augenblick intensiv zu leben. Und das ist vielleicht die Kernaussage dieser Collage: Wer intensiv gelebt hat, dem könnte das Sterben leichter fallen.

■ Heute, 20 Uhr, Kulturzentrum Schlachthof. Weitere Aufführungen Freitag und Sonntag, jeweils um 20 Uhr