Polnische Tageszeitung: Relikt einer alten Epoche

Polens Linke will die "Trybuna" schließen, eine einst mächtige Zeitung. 41 Jahre lang verkündete sie die Grundlagen der sozialistischen Ordnung.

WARSCHAU taz Mit einer Tagesauflage von heute knapp 18.000 Exemplaren ist das ehemals mächtige polnische Parteiorgan Trybuna Ludu nur noch ein Schatten seiner selbst. Zwar ist der Kampfruf "Proletarier alles Länder, vereinigt euch!" schon vor Jahren aus dem Titel verschwunden, doch im Stil erinnern viele Artikel bis heute an das ehemalige Verlautbarungsorgan der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei. Damit soll nun Schluss sein. Polens Linke will die Trybuna als letzte Bastion des "Parteibetons" schließen.

Aleksander Kwasniewski, der im alten System Jugend- und Sportminister war und es im demokratischen Polen bis an die Staatsspitze brachte, kämpft um ein Comeback der Linken auf der politischen Szene Polens. Zwar sind die Weichen für ein Zusammengehen mit den Demokraten gestellt, die ihre Wurzeln in der Freiheitsbewegung Solidarnosc haben. Doch in der Zeitungslandschaft des demokratischen Polens wirken Blätter wie die Trybuna oder der Przeglad (Rundschau) wie Relikte einer längst vergangenen Epoche.

Daher sollen sie einem neuen, wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazin weichen, das zu einem Diskussionsforum der neuen Linken Polens werden soll: unabhängig, kritisch und europafreundlich. "Ich gehe davon aus, dass es nach den Wahlen eine verlegerische Initiative geben wird", bestätigt Expremierminister Leszek Miller.

Vor ein paar Tagen musste der "Betonkopf", wie ihn viele Polen nennen, eine herbe Niederlage einstecken. Der junge Parteivorsitzende des Demokratischen Linksbündnisses, Wojciech Olejniczak, verweigerte Miller einen Listenplatz in den anstehenden Parlamentswahlen. Daraufhin trat Miller aus der Partei aus und will nun auch seine Funktion als Chef des Trybuna-Programmrats aufgeben. "Ich will niemandem im Weg stehen", sagte er resigniert. Sein Abgang erleichtert der neuen Linken einen publizistischen Neuanfang.

Gegründet wurde die Trybuna Ludu 1948, einen Tag nach der Vereinigung der Polnischen Arbeiterpartei (PPR) und der Polnischen Sozialistischen Partei (PPS) zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR). Über 41 Jahre lang verkündete das "Organ des Zentralkomitees" die Grundlagen der sozialistischen Ordnung in Polen, die Sechsjahrespläne oder den Bau der sozialistischen Musterstadt Nowa Huta bei Krakau. Die Auflage stieg in den 50er-Jahren auf über 500.000 Exemplare, vor allem dank Massenbestellung für die Belegschaften großer Staatsunternehmen. Im Januar 1990 löste sich die PZPR auf, das Pressemonopol der Partei brach in sich zusammen, die Trybuna Ludu verschwand aus den Kiosken und erschien - nach zwei Monaten - unter dem Titel Trybuna erneut.

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