Polen: Wahlkampf mit der Todesstrafe

Warschau macht nicht mit beim europäischen Tag gegen die Todesstrafe - und glaubt die Stimmung in der EU besser zu kennen als andere Regierungen.

"Willkommen in der EU": Polen sagt Nein zur EU-Initiative Bild: dpa

WARSCHAU taz "Die Todesstrafe ist sehr moralisch", verkündet Jacek Kurski zur besten Sendezeit im polnischen Fernsehen. Der als "Bullterrier" verschriene Spitzenpolitiker der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) grinst übers ganze Gesicht: "Polen hat bewiesen, dass es sich selbst schätzt. Wir sind nicht wie die Schafe mit den anderen mitgelaufen!" Spöttisch zieht er die Augenbrauen hoch, weiß er doch bereits, dass seine Gesprächspartnerin ihm widersprechen wird. Es ist Wahlkampf in Polen. In einem Monat stehen vorgezogene Parlamentswahlen an. Wie vor zwei Jahren ist die Todesstrafe ein wichtiges Wahlkampfthema. Es geht um Tod und Leben.

Eigentlich wollten alle EU-Mitgliedsstaaten den 10. Oktober als "Tag gegen die Todesstrafe" begehen. Es sollte die Wertegemeinschaft stärken und ein Signal nach außen sein: "Wir Europäer sind gegen die Todesstrafe." Doch ein Land stellte sich quer: Polen sagte "Nein" zur gemeinsamen Initiative von Europarat und EU. Man wolle damit gegen die "beliebige Behandlung der Problematik des Rechts auf Leben" in der EU protestieren, sagte Polens EU-Botschafter Tombinski in Brüssel. Da es in keinem der EU-Staaten die Todesstrafe gebe, handle es sich bei dem geplanten europaweiten Tag gegen die Todesstrafe um eine "rein politische Inszenierung". Hingegen seien in Europa "andere Formen der Tötung erlaubt, wie zum Beispiel Abtreibung und Euthanasie".

"Polen hat nur wieder gezeigt, dass es der Bremsklotz Europas und ein schrulliger Sonderling ist", winkt Katarzyna Piekarska vom Bündnis der demokratischen Linken (SLD) in der Fernsehdebatte ab. Entnervt setzt sie hinzu: "Wir führen hier eine Debatte, die niemand in Europa noch führt. Es ist längst bewiesen, dass die Todesstrafe die Zahl der Verbrechen nicht mindert. Dazu kommen Justizfehler." Zudem sei die Wiedereinführung der Todesstrafe in Polen unmöglich.

Der Spitzenpolitiker der PiS knurrte: "Sobald es die politischen und gesellschaftlichen Umstände in Polen zulassen, wird die PiS sich für die Wiedereinführung der Todesstrafe einsetzen." Große Anhänger der Todesstrafe sind auch die Kaczynski-Zwillinge, die sich als Premier und Präsident die obersten Staatsämter Polens teilen. Politische Beobachter erwarten, dass sich beide in den nächsten Wochen ebenfalls für die Widereinführung der Todesstrafe aussprechen werden. Polen ist einer von fünf EU-Staaten, die das 8. Protokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention, das die Todesstrafe verbietet, noch nicht ratifiziert haben. Polen hat die Todesstrafe 1997 abgeschafft; vollstreckt wurden Todesurteile schon seit 1988 nicht mehr.

Vor zwei Jahren hatte das Massenblatt Fakt, das der Axel-Springer-Verlag in Warschau herausgibt, die "Wir sind für die Todesstrafe"-Wahlkampagne der polnischen Rechten unterstützt. In einer eigenen Artikel-Bild-Serie schilderte das Revolverblatt grässlichste Verbrechen und titelte dann: "Polen wollen die Todesstrafe. 67 Prozent sind dafür!" Diesmal ist es die regierungsnahe Tageszeitung Rzeczpospolita, die die konservative Elite Polens von der moralischen Überlegenheit Polens gegenüber den übrigen EU-Staaten überzeugen will. Das "Nein" zum europaweiten Tag gegen die Todesstrafe sei der richtige Weg, um gegen die linksliberalen Kräfte vorzugehen, die Europa ihre Ideologie aufzuzwingen versuchten. Dem Willen der Bürger Europas entspreche weder die Grundrechtecharta der EU, noch ein "Tag gegen die Todesstrafe". Mit seinem Veto habe Polen diesem Willen der Europäer Rechnung getragen und zugleich klargestellt, dass Polen "ein vollwertiger EU-Partner und kein Mitglied zweiter Klasse" sei.

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