Richtfest: Ein Museum des intelligenten Konflikts
Der Wiederaufbau des Neuen Museums polarisiert: Chipperfields kühle Sachlichkeit ärgert Befürworter des Originals.
Das Neue Museum ist der letzte Bau auf der Museumsinsel, der sich vom Ruinenzustand zum Renovierungsvorhaben verwandelte. Über 60 Jahre ließ Berlin das einst so prächtige Museum von Friedrich August Stüler aus dem Jahr 1859 bröckeln. Wind und Wetter zogen durch die 1943 und 1945 geborstenen Mauern zwischen Lustgarten und Pergamonmuseum. Obwohl erst Ende 2009 die Sammlungen des Vor- und Frühgeschichtlichen sowie Ägyptischen Museums dort einziehen werden, ist jener marode Zustand nun Geschichte. Im rohbauartigen Haus wird ab heute zum "Tag der offenen Tür" geladen - und heftig debattiert.
Das Neue Museum ist seit der Entscheidung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) vor fünf Jahren, den britischen Architekten David Chipperfield mit dem Wiederaufbau zu beauftragen, zum Streitfall in der Stadt avanciert. Die Kosten von 233 Millionen Euro sind nicht der Zankapfel, sondern Chipperfields Wiederaufbau-Konzept.
Weil der Architekt dem zirka 20.000 Quadratmeter großen Bau mit der Methode der "kritischen Rekonstruktion" zu Leibe rückt, steigen seither historisch-nostalgische Denkmalexperten und Bürgerinitiativen auf die Barrikaden. Sie fordern Stüler im Original. Das Neue Museum als Ausstellungsort für die wunderbare Büste der Nofretete, das einst wegen seiner Proportionen, einer Himmelsleiter im Treppenhaus über die beiden Geschosse und der Wandmalereien von Wilhelm von Kaulbach zu den Meisterleistungen der Museumsarchitektur zählte, müsse wie vor dem Krieg wieder hergestellt werden, so ihre Argumentation. Chipperfields kühle Rekonstruktion zerstöre die klassizistische Idee des Hauses, seine Ästhetik und Bedeutung.
Richtig dabei ist, dass der Architekt nichts von dem, was zerstört ist, rekonstruiert. Ein Flügel, der zerbombt war, entsteht neu. Viele der schönen - und seit dem Krieg verlorenen - Ausstellungssäle, die verziert, bemalt und mit Säulen geschmückt waren, wird es ebenfalls so nicht mehr geben. Sie werden zu kargen, backsteinernen Kunsträumen. Schließlich entsteht anstelle des Treppenhauses, das einst zu den großartigsten der Kaiserzeit zählte, ein Betonaufstieg in einer spröden Halle.
Doch sind das wirkliche Sünden? Es war und ist die Idee der Stiftung und des Architekten, das Neue Museum als Zeitzeugen der Geschichte und Gegenwart sprechen zu lassen. Das ist mutig. Zugleich verändert Chipperfield das Bauwerk nicht. Wer durch das rohbauartige Haus geht, sieht, es wird zwar Fehlendes - wie die Treppe, das Mauerwerk, Decken - durch Beton und rohe Ziegel ersetzt. Die Wunden, die der Krieg geschlagen hat, werden gezeigt, statt sie zu übertünchen. Einschusslöcher, beschädigte Wandflächen oder abgeplatzte Fresken werden nicht ergänzt, sondern bleiben Fragment. Doch das noch Vorhandene wird selbst in seinen Rudimenten - wie beschädigtes Mauerwerk, Deckengemälde, Bodenbeläge - erhalten und gepflegt.
Es ist ein harter baulicher Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, den Chipperfield hier führt. Das Neue Museum sei ein "Haus der Extreme", wie der Spiegel schrieb. Es ist mehr: ein Museum des intelligenten Konflikts. Kein Wunder, das es polarisiert.
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